Die Kunst des Sterbens: Thriller (German Edition)
Wasserflaschen vergessen. Wenn die Polizisten gut waren, würden sie bemerken, dass sie direkt aus dem Kühlschrank kamen und davon ausgehen, dass Qazai nicht weit sein konnte. Er beschleunigte seine Schritte.
»Langsamer«, sagte Qazai. »Mir … mir geht’s nicht gut.«
Herrgott, dachte Webster. Wir haben jetzt keine Zeit für Qazais Übelkeit.
»Es ist nicht weit. Nur noch zwanzig Meter.« Es waren mindestens hundert. Er stützte Qazai so gut er konnte, doch er wurde immer mehr zur Last, und Webster musste sich abquälen. Er wollte keinesfalls einen leblosen Körper durch die Lobby schleppen. Hinter ihnen hatten die Marokkaner inzwischen bestimmt die Villa verlassen, und wenn sie die kühlen Wasserflaschen gefunden hatten, rannten sie vielleicht.
Als er in das kühle Hauptgebäude trat, richtete er Qazai auf und versuchte verzweifelt, ihn möglichst ordentlich herzurichten, dann nahm er das letzte Stück ihres Weges in Angriff, indem er auf ihn wie auf ein kleines Kind, das Aufmunterung benötigte, leise einredete, damit er durchhielt.
»Wir haben’s fast geschafft. Nur noch die Lobby. Nur noch ein paar Meter.«
Mein Gott, war er schwer. Webster wurde langsamer.
»Es ist nicht mehr weit. Gleich haben wir’s.«
Er versuchte nach vorn zu schauen, doch unwillkürlich wanderte sein Blick zu den drei Mitarbeitern am Empfang. Einer war mit einem Gast beschäftigt, ein weiterer starrte auf einen Computermonitor hinunter, aber die dritte Empfangsdame musterte ihn, und als Webster den Blick abwandte, griff sie nach dem Telefon. Er hätte stehen bleiben können, um sie zu beschwichtigen, aber das hatte keinen Sinn. Alles, was sie tun mussten, war, es zum Wagen zu schaffen.
Sie befanden sich jetzt auf der Treppe zur Auffahrt. Bei seiner Ankunft hatte Webster sie gar nicht bemerkt, doch jetzt kam sie ihm endlos vor. Unter den Augen eines neugierigen Portiers nahm Qazai, leicht zusammengekrümmt, wie ein kleines Kind eine Stufe nach der anderen.
Es war hoffnungslos. Die letzten fünfzig Meter würden sie niemals schaffen.
»Warten Sie hier«, sagte er zu Qazai, und an den Portier gerichtet: »Könnten Sie ihn kurz stützen, ja? Es geht ihm nicht gut.«
Qazai wankte ein paar Stufen hinunter, blieb stehen und versuchte sich aufzurichten, dann schloss er die Augen und hielt die Hand vor den Mund. Webster wagte es kaum, ihn anzuschauen, und rannte durch das Tor auf die Straße, und als er den braunen Peugeot erblickte, winkte er ihn zu sich.
»Danke«, sagte er, wieder zurück beim Portier. »Los. Der Wagen ist da.«
Das Auto hielt vor dem Tor, und Webster verfrachtete Qazai auf den Rücksitz, schob ihn über den abgewetzten Bezug.
»Los. Fahr. Zum Flughafen.«
»Kotzt der gleich?«
»Sieht ganz so aus.«
Als der Wagen losfuhr, nachdem er die anderen Fahrzeuge vorbeigelassen hatte, und dann heftig beschleunigte, sah Webster durch die Heckscheibe, wie am oberen Ende der Hoteltreppe zwei Männer erschienen und sich hektisch umschauten. Driss bog scharf rechts ab, und sie verschwanden aus seinem Blickfeld, doch dann stürzten sie die Treppe hinunter, und der Portier deutete in Websters Richtung.
»Wie lange brauchen wir bis zum Flughafen?«
»Zehn Minuten«, sagte Driss. »Wir haben nicht besonders viel Verkehr.« Er warf einen Blick in den Rückspiegel. »Was machst du da?«
»Ich suche sein verdammtes Handy. Herrgott noch mal, dieser Typ hat mich mächtig in die Scheiße geritten.«
»Und was willst du am Flughafen?«
»Sein Flugzeug besteigen. Keine Ahnung, wie.«
»Aber dein Pass.«
»Ich weiß, ich weiß. Du kennst nicht zufällig jemanden, der dort arbeitet?«
Driss zuckte bloß mit den Schultern.
Als Webster das Handy schließlich gefunden hatte, ließ er es von Qazai – er fingerte ungeschickt daran herum – entriegeln; das Display zeigte fünf Anrufe in Abwesenheit an, alle von derselben Nummer, einem Handy aus Großbritannien, das Webster nicht kannte, sowie eine SMS:
Mr. Q. Habe versucht, Sie anzurufen. Flug muss bis 12.20 Uhr bestätigt werden, sonst keine Starterlaubnis. Papiere liegen vor. Bitte um Benachrichtigung. Carl.
Webster rief die Nummer an und forderte den Piloten auf, das Flugzeug für einen unpässlichen Mr. Qazai vorzubereiten. Carl weigerte sich, von einem Fremden Anweisungen entgegenzunehmen, doch Qazai schaffte es, zur Bestätigung ein, zwei Sätze herauszubringen, und schließlich war alles geklärt: Sie hatten zehn Minuten, um es zum Flughafen zu schaffen, zehn Minuten,
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