Die Kunst des Sterbens: Thriller (German Edition)
fortzufahren.
»Ben.«
Das war also seine Rolle. Hammer würde freundlich zu Qazai sein, und Webster würde ihn mit Vorwürfen konfrontieren.
»Man hält Sie für einen Schmuggler.« Er hoffte, Qazai würde durch seine Reaktion bestätigen, dass er den Inhalt des Berichts bereits kannte, doch er hob lediglich den Kopf und kniff die Augen leicht zusammen.
»Ein Schmuggler?«
»Ja.«
»Was soll ich denn geschmuggelt haben?«
»Ganz konkret? Ein Steinrelief aus dem achten Jahrhundert vor Christus.«
»Das Sargon-Relief?«
»Sie kennen es?«
»Natürlich. Es ist eines der großen Meisterwerke der assyrischen Kunst. Der Kunst überhaupt. Jeder kennt es.« Er stieß einen abgehackten Lacher hervor und warf seinen Kopf in den Nacken. »Die glauben, dass ich das gewesen bin? Ich wünschte, sie hätten recht.« Lächelnd und mit hochgezogener Braue blickte er zu Senechal, damit er bestätigte, wie albern der Vorwurf war; und Senechal nickte einmal ernst.
»Sie wissen also, dass es geraubt wurde?«
»Aus dem Nationalmuseum in Bagdad. Natürlich. Es ist wahrscheinlich das bedeutendste Sammlungsstück, das immer noch fehlt.«
Webster musterte ihn eindringlich, konnte jedoch kein Anzeichen dafür entdecken, dass er log.
»Kennen Sie einen Mann namens Zia Shokhor?«
Qazai schüttelte den Kopf. »Yves. Kennen wir einen Shokhor?«
»Ich wüsste nicht, Sir.«
»Er ist Iraker«, sagte Webster. »Er lebt in Dubai. Im Bericht steht, dass er irgendwann im Frühjahr2003 , kurz nach der Invasion, das Relief mit einem Lkw durch Kuwait und dann auf dem Seeweg nach Dubai transportieren ließ, wo es sich eine Woche lang in der Freihandelszone befand. Dann wurde es mit einer Privatmaschine nach Genf geflogen, zu einem Schweizer Händler, dessen Namen wir nicht kennen.«
»Und der hat es an mich verkauft?«
»Nein. Nicht ganz. Er hat es an Cyrus Mehr verkauft, der es dann an Sie verkauft hat.«
Qazai runzelte die Stirn und verschränkte die Arme, die Unbefangenheit war jetzt aus seinem Gesicht gewichen. »Sicher doch.«
»Offenbar haben Sie den Auftrag dazu erteilt«, sagte Hammer.
»Wie bitte?«
»Es wird vermutet«, sagte Webster, »dass kein Dieb so einen einzigartigen Kunstschatz klauen würde, wenn das Objekt nicht bereits verkauft wäre. Erst recht, wenn es eine halbe Tonne wiegt.«
»Wo haben Sie denn diesen Schwachsinn her?«
»Im Bericht stehen keine Quellenangaben. Diese Passagen wurden zensiert. Aber ich schätze, dass die Informationen aus den Untersuchungsergebnissen der US-Armee zu dem Raub stammen. Die Passagen sind sehr ausführlich, und der einzige Name, der fehlt, ist der des Schweizer Händlers. Vielleicht kommen die Informationen von ihm.«
Qazai lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, holte durch die Nase tief Luft und schüttelte den Kopf.
»Und Sie wissen nicht, wer er ist?«
»Noch nicht«, sagte Webster.
Über das Telefon bekam man von Fletcher Constance nur einen unzureichenden Eindruck, doch selbst wenn die Verbindung schlecht war, wirkte er sehr präsent, und Webster musste sich, wie immer, erst daran gewöhnen, so als würde er einen Schritt zurücktreten, um die gewaltige Erscheinung in seiner Gänze wahrzunehmen.
»Benedict!« Meist brüllte er, und die vollen Vokale seines Bostoner Akzents waren durch seinen dreißigjährigen Auslandsaufenthalt keineswegs weicher geworden. »Wo zum Henker hast du gesteckt?«
»Ich habe es ruhig angehen lassen. Und du?«
»Ich? Ich bin in Dubai, wie üblich. Keine Ahnung, wie ich es hier aushalte. Kann mich schon nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal in Beirut war. Meine Haushälterin denkt, ich sei tot. Ha.« Er stieß ein kurzes, abgehacktes Lachen hervor. »Manchmal frage ich mich selbst, ob ich vielleicht tatsächlich schon tot bin. In diesem glitzernden Mausoleum.«
»Du willst doch gar nicht woanders sein.«
Constance gab einen tiefen Seufzer von sich. »Ben, wann warst du zuletzt hier?«
»Ach herrje. Vor drei Jahren.«
»Mit Ike?«
»Genau.«
»Vor drei Jahren. Mein Gott. Das waren unschuldige Zeiten, oder? Was hatten wir Spaß. Damals waren sie noch am Bauen. Die Hochhäuser schossen so schnell in die Höhe, als hätte man mal eben zehn Nägel in die Wand gehauen. Jetzt sind sie fertig und stehen leer, und eines Tages kommt jemand mit einer riesigen Abrissbirne vorbei und, kawumm, reißt sie alle wieder ein, aber ich sag dir eins, Ben, Alter, ich will verdammt sein, wenn die Investoren nicht zurückkommen. Es ist unfassbar. Rufst
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