Die Kunst des Sterbens: Thriller (German Edition)
Mailand?«, fragte er mit gesenktem Blick.
»Ich war geschäftlich hier«, sagte Webster. »Um einen Klienten zu treffen.«
Der Beamte nickte langsam vor sich hin und tippte in aller Ruhe etwas ein. Hinter sich hörte Webster Schritte, und links und rechts von ihm erschienen zwei Männer, beide in der Uniform der Polizia di Stato. Einer von ihnen ging zu seinem Kollegen in das Häuschen, um mit ihm zu reden; der andere blieb bei Webster.
Nachdem die beiden sich einen Moment lang mit ernster Miene unterhalten hatten, trat der erste Beamte nach draußen und nickte seinem Kollegen zu, der Webster darauf am Ellbogen packte und ihn aufforderte, ihn zu begleiten, um ein paar Fragen zu beantworten.
Die beiden Männer brachten Webster, vorbei an Geschäften und Imbissen, zu einer unbeschrifteten grauen Tür in einer langen grauen Wand. Dahinter befand sich ein weiß gestrichenes Zimmer, das von zwei Neonleuchten, die von der Decke hingen, hell beleuchtet wurde, der Boden war mit einem abgewetzten Teppich ausgelegt, und das einzige Möbelstück hier war ein Glastisch mit je einem Metallstuhl auf jeder Seite. Man forderte ihn auf, sich zu setzen, man kümmere sich gleich um ihn. Einer der Beamten verschwand wieder, der andere blieb bei Webster und stellte sich mit dem Rücken zur Wand neben die Tür. Webster musterte ihn einen Moment und kam zu dem Schluss, dass er mit seiner steifen Haltung und seinem ernsten Blick ausdrücken wollte, dass er keine Fragen beantwortete, also nahm er sein Handy aus dem Mantel und tippte eine SMS an Ike, um ihm mitzuteilen, wo er war und warum er vielleicht erst später bei ihm eintreffen würde.
»Nein«, sagte der Beamte. »Kein Handy. Bitte ausschalten.«
»Bin ich verhaftet? Sonst darf ich auch telefonieren.«
»Schalten Sie das Handy aus, oder ich verhafte Sie.«
Webster schaute zu seinem Bewacher und begriff, dass er es ernst meinte, hielt seine SMS an Ike kurz (»aufgehalten in linate«) und schaltete sein Handy aus.
»Worum geht es hier?«
»Jemand kommen«, sagte der Beamte und setzte die Inspektion der gegenüberliegenden Wand fort.
»Wenn er nicht bald kommt, verpasse ich meinen Flug.«
Das war Italien. Das hier könnte noch Stunden dauern. Nachdem er sich damit abgefunden hatte, dass er einige Zeit in diesem Zimmer verbringen würde, zog Webster die Zeitung von gestern aus seinem Koffer. Vierzig Minuten verstrichen, und die Stille fing an ihn zu frustrieren. Sein Bewacher rührte sich nicht. Schließlich öffnete sich die Tür ein paar Zentimeter, und jemand, den Webster nicht sehen konnte, gab dem Beamten ein Zeichen, das Zimmer zu verlassen. Kurz darauf betraten zwei Männer in Anzügen das Zimmer, einer von ihnen war alt und klein, hatte schütteres graues Haar und wirkte angespannt, der andere war jünger und stämmig, sein schwarzes Jackett bedeckte notdürftig seine Wampe.
Sie stellten sich vor den Tisch, und der jüngere der beiden ergriff das Wort; sein Partner neigte lediglich den Kopf zur Seite und starrte Webster mit seinen unerbittlichen grauen Augen an.
»Signore Webster. Es tut mir leid, dass Sie warten mussten. Bitte, kommen Sie mit.«
Webster schüttelte den Kopf. »Nein. Entweder Sie sagen mir, was hier los ist, oder ich rufe sofort meinen Anwalt an. Und meine Botschaft.« Er griff nach seinem BlackBerry.
»Signore, Sie müssen uns ein paar Fragen zu Giovanni Ruffino beantworten.« Webster hielt inne und schaute auf. »Bitte, kommen Sie mit.«
Ruffino. Es war lange her, dass Webster von ihm gehört hatte.
»Sie sind lange nicht in Italien gewesen, Signore Webster«, sagte der jüngere der beiden Polizisten. Er sprach in diesem hellen Singsang der Mailänder, mit einem offenen Triller am Ende eines jeden Wortes, bei dem das möglich war.
»Ist schon eine Weile her.«
»Vor sechs Jahren waren Sie zuletzt hier.« Das entnahm er einer Akte, die geöffnet zwischen ihnen auf dem Tisch lag. »Hat das etwas zu bedeuten?«
»Nein. Das ist reiner Zufall.«
Ein dezentes Nicken. »Also müssen wir nicht gekränkt sein.« Ein kurzes, flüchtiges Lächeln über seinen Witz, dann eine Pause. »Warum sind Sie jetzt hier? Zufall?«
»Nein. Ich habe mich hier mit jemandem getroffen. Mit einem Klienten.«
»Mit einem italienischen Klienten?«
»Mit einem Klienten, der in Italien ein Haus hat.«
»Können Sie mir den Namen sagen?«
»Von dem Haus?«
Der Beamte lächelte nachsichtig. »Mr. Webster, die Sache hier wäre um einiges leichter, wenn Sie
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