Die Kunst des Sterbens: Thriller (German Edition)
Abschluss des Falls darum bitten, ihn zu vernichten.
»Und seinen Anwalt.« Und er fuhr fort: »Den kannst du dir auch vornehmen. Er heißt Yves Senechal. Er hat ein französisches Handy. Von ihm nur die Telefonate.« Er machte eine Pause. »Kennst du jemanden in Frankreich?«
»Ich habe einen fähigen Mann in Frankreich.«
Webster fragte sich, ob er tatsächlich überall auf der Welt fähige Mitarbeiter stationiert hatte oder ob es sich bei ihnen in Wirklichkeit um Dean selbst handelte, der ahnungslosen Bankangestellten, egal wo sie gerade ans Telefon gingen, irgendwelche Geheimnisse entlockte. Es hätte ihn nicht überrascht.
»Ich denke, das wär’s.«
»Das ist ’ne Menge Holz. Ich hab momentan ganz schön viel zu tun, Ben.«
»Ich zahle dir einen Bonus von hundert Prozent, wenn du was Nützliches herausfindest.«
»Wie viel Zeit habe ich?«
»Zwei Wochen.«
»Ist das dein Ernst?«
Webster beachtete ihn nicht, und Oliver rückte seine Brille zurecht und ging seine Notizen durch, machte hinter jedem Punkt ein Häkchen. Als er damit fertig war, schaute er auf.
»Hast du seine Mülltonnen überprüft?«
»Dafür ist er zu clever. Er lässt alles schreddern.«
»Wäre trotzdem einen Versuch wert. Vielleicht weiß er nicht, was wichtig ist.«
»Vielleicht. Aber das Haus liegt direkt an der Mount Street, da wimmelt es von Passanten, ein Albtraum.«
»Ich kenne alle Müllmänner in dem Bezirk. Die werden das für mich erledigen.«
Webster zuckte die Achseln. Es wäre dumm, das abzulehnen – so als würde man nach einem köstlichen Mahl einen Brandy ablehnen. »Also schön«, sagte er. »Und du erstattest nur mir Bericht. Sonst niemandem bei Ikertu. Ruf mich nur auf meinem privaten Handy an.«
Oliver lächelte. »Ermittelst du etwa auf eigene Faust, Ben?«
13
Drei Tage nach seinem Treffen mit Oliver erhielt Webster eine E-Mail von Ava Qazai.
Lieber Mr. Webster,
ich fürchte, ich habe unser Gespräch am See etwas überstürzt beendet. Wenn Sie glauben, dass es sich lohnt, das Gespräch fortzusetzen, würde ich mich gern bei Ihnen persönlich entschuldigen. Kann ich Sie vielleicht abends bald mal auf einen Drink einladen?
Herzliche Grüße
Ava Qazai
Er antwortete ihr und schlug vor, sich am nächsten Abend in der Bar des Connaught , gegenüber dem Haus ihres Vaters, zu treffen; und wie gehofft, war sie mit der Uhrzeit einverstanden, wollte sich aber an einem anderen Ort treffen – im Mandarin Oriental in Knightsbridge, das weit genug entfernt lag, um unbeobachtet zu sein. Ganz offensichtlich sollte ihr Vater nichts von ihrem Treffen erfahren.
Diesen und den nächsten Tag stellte er Vermutungen über ihre Motive an. Die Wut auf ihren Vater beim Mittagessen in Como und ihr Gespräch am See. Was konnte sie wissen? Sie kannte den Iran, sie kannte ihren Vater. Und Parviz’ Entführung schien sie ganz schön mitgenommen zu haben. Vielleicht wusste sie Genaueres darüber, oder über Mehr, oder über die Probleme bei Shiraz. Seit ihrem Treffen am Comer See hatte er nichts mehr von Qazai gehört; vielleicht hatte er sie beauftragt, sich einen Eindruck von seiner Gemütslage zu verschaffen. Alles war möglich, das wusste Webster, und er versuchte sich anderen Dingen zu widmen, die zaghaft seine Aufmerksamkeit einforderten.
Nachdem er bei Ikertu Feierabend gemacht hatte, fuhr er mit der U-Bahn zum Marble Arch und lief durch den Park. Von Westen her wehte ein heftiger Wind und wirbelte Staub auf, und als die Sonne hinter einer Wolke verschwand, fielen die sommerlichen Temperaturen auf frostige Werte. Webster knöpfte sein Jackett zu, rieb sich etwas Staub aus den Augen und marschierte Richtung Hotel.
Die Bar – mit ihren niedrigen Ledersitzen und Spiegelwänden – war voller Kunden aus den Luxusläden und vereinzelten Touristen, aber zwei Hocker waren noch frei. Auf einem davon nahm Webster Platz, wartete, bis eine ausgelassene Gruppe amerikanischer Geschäftsleute bedient worden war, und bestellte dann einen Whisky. Die Geschäftsleute stießen mit Champagner auf ihren Erfolg an, und Webster versuchte die feinen Unterschiede auszumachen, an denen man sofort erkannte, dass sie keine Engländer waren: die Hemden mit Monogramm, die Bundfaltenhosen, die ausgestellten Jacketts, ihre ungebremste Begeisterung. Zu seiner Linken saß eine junge Frau, dunkelhäutig, dichte Augenbrauen, vielleicht eine Libanesin, die geduldig dem ruhigen Monolog eines älteren breitschultrigen Mannes lauschte, der eine
Weitere Kostenlose Bücher