Die Kunst, kein Egoist zu sein - Precht, R: Kunst, kein Egoist zu sein
nicht der Mangel an Vernunftfähigkeit davon ab, im Großen verantwortlich zu sein, sondern es sind die vielen vernünftigen Entscheidungen im Kleinen: »Das Pathos des Weltuntergangs, der Weltgemeinschaft und der Betroffenheit durch den Klimawandel, die an Ländergrenzen nicht haltmacht, hat kaum Handlungsrelevanz - man kann es nicht auf die erlebte soziale Wirklichkeit herunterbrechen. Es
dient lediglich dazu, dass man sich weiter ostentativ wundern darf, wieso die Menschen so unvernünftig sind.« 13
Nicht anders verhält es sich mit den Gesetzen unserer Wachstumsideologie. Selbst wenn viele sich einig sind, dass es auf diese Weise mit unserer Ökonomie nicht weitergehen kann, ziehen sie daraus keine persönlichen Konsequenzen. Nur die wenigsten ändern ihr Leben, um die Ressourcen unseres Planeten zu schonen, und kaufen freiwillig ein kleineres und umweltfreundliches Auto. Wer verzichtet aus ökologischen Gründen auf den Flug ins Urlaubsparadies? Wer nimmt sich Zeit für die Familie und verzichtet dafür auf einen weiteren Karriereschritt? Und wer befolgt tatsächlich die hübsche Idee, dass es zum Lebensglück eines Deutschen nicht allzu vieler Konsumgüter bedarf, nicht anders als für das eines Bhutaners?
Unsere Politik und unsere Wirtschaft orientieren sich an einem sehr fragwürdigen Ziel: der Steigerung des BIP. Das Glücksversprechen der Gesellschaft liegt darin, dass unser materieller Wohlstand kontinuierlich wachsen soll. Dabei wissen wir längst, dass ein weiteres Wirtschaftswachstum und ein Mehr an Konsumgütern unser Wohlbefinden nicht dauerhaft steigert.
Die Kunst, kein Egoist zu sein, besteht also zunächst darin, dass wir unsere Bedürfnisse von unserem Bedarf zu unterscheiden lernen. Aber ist so eine Vision wirtschaftlich überhaupt sinnvoll? Sind wir nicht zum Wachstum um jeden Preis verdammt?
• Grüße von der Osterinsel. Warum unser Wohlstand nicht mehr wächst
Grüße von der Osterinsel
Warum unser Wohlstand nicht mehr wächst
Die Osterinsel im Südpazifik ist berühmt für ihre bis zu neun Meter großen Steinstatuen, die moai. Mehr als hundert dieser eindrucksvollen Gebilde stehen auf der kargen Insel. Einem heutigen Besucher erscheinen sie so seltsam und fremd in die Landschaft gesetzt, dass der Schweizer Phantast Erich von Däniken nur eine Antwort auf die Frage fand, wie sie dort hingekommen waren: Außerirdische Besucher aus dem Weltall mussten sie geschaffen haben. Den Polynesiern der Insel jedenfalls traute Däniken eine solche Leistung nicht zu. Auch der norwegische Entdecker Thor Heyerdahl hielt sie für das Werk von Fremden, vermutlich einer südamerikanischen Hochkultur.
Die Statuen erregen Erstaunen, und sie stimmen nachdenklich. Schon als der niederländische Seefahrer Jacob Roggeveen am Ostersonntag 1722 nach 17-tägiger Fahrt von der chilenischen Küste durch den Pazifik seinen Fuß auf die einsam gelegene Insel setzte, stand er vor einem Rätsel. Um Skulpturen wie die moai zu bauen, brauchte man Baumstämme für Schlitten, Kanuleitern und Hebel. Aber die Insel war unbewaldet, der größte Baum, den Roggeveen fand, war nicht einmal drei Meter hoch. Und die Polynesier auf der Insel präsentierten sich als ein völlig unkultiviertes Volk mit kleinen lecken Kanus. Irgendetwas war hier schiefgelaufen, und zwar verdammt schief!
Tatsächlich war die Osterinsel ursprünglich bewaldet gewesen. Mit der Ankunft der Polynesier um 900 vor Christus begannen
sie den Wald als Ressource zu nutzen. Richtigen Raubbau aber betrieben sie erst, als die rivalisierenden Häuptlinge der Insel versuchten, sich mit ihren Statuen zu übertrumpfen. Und umso schwieriger die ökonomische Lage durch den massiven Holzeinschlag wurde, umso kostbarer und gigantischer wurden die Statuen. Sie waren der religiöse Fetisch der herrschenden Klasse geworden und das Statussymbol, das alle Mittel rechtfertigte. Als die botanischen Ressourcen immer knapper wurden, entwickelten sich die Osterinsulaner zu Fleischessern. Sie rotteten erst die Delphine vor der Küste aus, als Nächstes die Landvögel und dann die Seevögel. Am Ende ernährten sie sich fast nur noch von Ratten. Es kam zur Hungersnot, die Kultur brach zusammen, die Bevölkerung schwand, zuletzt auch durch den Kannibalismus.
Erst als der letzte Baum gerodet, das letzte wilde Tier gejagt, der letzte Fisch gefangen war, so ließe sich frei nach der ominösen »Weissagung der Cree« sagen, stellten die Osterinsulaner fest, dass sie ihre
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