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Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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weiterhin zu ihr, doch keiner von ihnen stand ihr so nah wie Richmond.
    Nachdem alle Gefangenen aneinandergekettet waren, setzte sich die kleine Gruppe in Bewegung. Unterwegs begegneten sie den zuvor abgeurteilten Häftlingen, die in den Kerker zurückgebracht wurden. Nach einem kurzen Fußmarsch den Old Bailey entlang, zwischen Reihen gaffender Schaulustiger hindurch, erreichten sie das dreistöckige Gerichtsgebäude und wurden in einen Vorhof geführt, der von einer hohen Mauer umgeben war. Eng zusammenstehende scharfe Eisenspitzen erschwerten ein Überklettern. Der Gerichtssaal erhob sich wie eine Theaterbühne vor den Häftlingen. Er nahm das Erdgeschoss des Gebäudes ein, war aber zur Straße hin offen, so dass Kitty die Richter und Geschworenen auf der Estrade im Innern sehen konnte. Allerdings waren sie zu weit entfernt, um ihre Gesichter zu erkennen.
    Fünf Namen wurden aufgerufen, darunter auch Kittys, und die Angesprochenen traten an die Schranke, die sie vom Sitzungssaal trennte. Nervös ließ die junge Frau den Blick über die anwesenden Richter gleiten. Ihr Herz machte einen Sprung, als sie Sir John Robinson unter ihnen entdeckte. Und als der Richter ihr wohlwollend zuzwinkerte, überkam sie neue Hoffnung. Kitty sah auch Jonathan Wild unter den Zuschauern, wandte jedoch die Augen ab, bevor sich ihre Blicke begegneten.
    Nacheinander übersetzte der Gerichtsschreiber die in Latein abgefassten Anklageschriften der fünf Aufgerufenen ins Englische und fragte, ob sie sich schuldig oder nicht schuldig bekannten.
    »Nicht schuldig«, erwiderte Kitty, und die anderen Gefangenen taten es ihr gleich.
    Daraufhin wandte sich der Gerichtsschreiber wieder an Kitty: »Angeklagte, wie soll über dich gerichtet werden?«
    »Durch Gott und mein Land.«
    Während ein Schließer den fünf Häftlingen die Ketten abschlug, wurde die Jury aufgerufen. Zwölf Männer nahmen auf der Geschworenenbank Platz und wurden vereidigt. Prüfend betrachtete Kitty ihre Mienen. Waren Mitglieder der Gesellschaft zur Reformation der Sitten unter ihnen, die sie als Tochter der Sünde verdammen würden?
    Kittys Fall wurde als Erstes verhandelt. Nachdem die Anklageschrift für die Geschworenen ein zweites Mal verlesen worden war, erhob sich der Ankläger und wandte sich an Richter und Jury.
    »Meine Herren, ihr seht hier vor euch eine jener Kreaturen, die ihren Körper für Geld den Gelüsten der Männer darbieten. Im Hundred of Drury, in dem Covent Garden liegt, gibt es unzählige wie sie, die unsere schöne Stadt, ach, was sage ich, das ganze Land in Verruf bringen. Indes ist es auch eine bedauerliche Tatsache, dass es Männer gibt, die vor keiner Abartigkeit zurückschrecken, um ihre schmutzige Wollust zu befriedigen. Daher ist es umso wichtiger, dass diejenigen, die sich zu Komplizinnen solcher abscheulichen Auswüchse machen, die ganze Strenge des Gesetzes zu spüren bekommen, so dass andere, denen ein ähnliches Angebot gemacht wird, abgeschreckt werden.«
    Ein Angstschauer durchlief Kitty. Zu ihrem Schrecken wurde ihr klar, dass der Ankläger die Absicht hatte, an ihr ein Exempel zu statuieren. Sollten die Geschworenen so denken wie er, war sie verloren.
    Als erster Zeuge der Anklage trat der Konstabler John Hall vor. Ohne Kitty anzusehen, erzählte er, was sich in jener Nacht zugetragen hatte, als er zu Mistress Grimshaws Putzmacherladen gerufen worden war. Er gab wieder, was die Inhaberin des verrufenen Hauses und die Angeklagte ihm über das Geschehen berichtet hatten.
    »Zwar bestritt Miss Montague, dass sie Mr. Martelli die Schlinge um den Hals gelegt habe, wie er es wünschte, doch ich vermute, dass sie nur versuchte, sich aus der Verantwortung zu ziehen«, sagte er, ohne die Verachtung in seiner Stimme verbergen zu können.
    Da unterbrach ihn der Vorsitzende Richter Lord Chief Justice Pratt.
    »Was gab Euch Anlass zu dieser Vermutung, Sir? Habt Ihr Anzeichen gefunden, die beweisen, dass nur Mistress Montague Mr. Martelli erhängt haben konnte? Hätte Mr. Martelli dies nicht auch selbst tun können, als Mistress Montague den Raum verlassen hatte?«
    »Doch, Mylord, aber …«
    »In welcher Höhe befand sich der Riegel, an dem Mr. Martelli sich erhängt haben soll?«
    »In Augenhöhe, Mylord.«
    »Folglich hätte er ohne fremde Hilfe den Strick daran befestigen können?«
    »Ja, Mylord, durchaus«, gab Hall zerknirscht zu.
    »Fahrt fort, Sir.«
    Als der Konstabler seine Aussage beendet hatte, wurde Meister Hearne aufgerufen. Sein

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