Die Lady auf den Klippen
Gold, Grün und Beige. Am Fuß des Bettes stand ein kleines Sofa in Goldbrokat, dem Kamin zugewandt. Das Bett hatte eine dunkelgrüne Decke, und auf dem Boden lagen zwei geblümte Perserteppiche. Die Wände waren in frischem Gelb gestrichen, an der einen Wand stand ein Schrank aus Kirschholz, an der anderen ein Schreibsekretär. Außerdem gab es noch einen moosgrünen Ohrensessel. Ganz offensichtlich hatte die Countess den Raum eingerichtet, der warm und einladend wirkte.
Sir Rex stand hinter ihr, war aber in der Halle geblieben. Sie war sich seiner Gegenwart sehr bewusst. Er räusperte sich. „Ich hoffe, das Zimmer gefällt Ihnen.“
Kaum zu glauben, aber irgendwie war es ihr gelungen, nach der schockierenden Entdeckung die Fassung zurückzuerlangen. Ihre Haltung und ein klarer Kopf waren ihr immer sehr wichtig gewesen. Doch zum ersten Mal in ihrem Leben war sie sich dessen nicht mehr sicher – als könnte ihr beherrschtes Auftreten jederzeit verschwinden, ohne großes Zutun. Es fühlte sich an, als müsste sie sich daran festklammern, oder sie würde völliger Verwirrung anheimfallen. Um das zu verhindern, durfte sie nicht an das Schäferstündchen denken. Sie durfte nicht daran denken, wie leidenschaftlich – zu leidenschaftlich! – Sir Rex war.
Blanche brachte ein Lächeln zustande, zwang sich dazu, es beizubehalten, und wandte sich dann Sir Rex zu. „Das Zimmer ist reizend. Perfekt geradezu. Ich kann Ihnen nicht genug danken.“
„Es ist mir ein Vergnügen“, antwortete er. „Abendessen gibt es um sieben, aber wenn Sie etwas brauchen, schicken Sie einfach Ihre Zofe.“
Blanche lächelte. Sie war erleichtert, als er davonging. Seine Anwesenheit war zu schwer auszuhalten. Meg blieb mit großen Augen in der Halle stehen, während Anne an ihnen beiden vorbeiging, ihrem Herrn hinterher – und ihrem Geliebten.
Sofort ließ Blanche sich auf das Sofa fallen. Er ist genauso viril, wie die Gerüchte behaupten. Sie verlor die Fassung. „Mach bitte ein Fenster auf“, brachte sie nur heraus.
Rasch befolgte Meg ihre Anweisung, wobei ihre Miene besorgt wirkte. „Mylady, sind Sie krank? Sie benehmen sich so seltsam.“
Blanche kniff die Augen zu und gab es auf, sich vorzumachen, nichts wäre geschehen. Denn noch immer sah sie Sir Rex vor sich, unglaublich männlich, schrecklich gut aussehend, wie er sich über diese Frau beugte, mit schimmernd nackter Haut. Solche Muskeln, so viel Kraft, und so viel Leidenschaft, dachte sie. Dann öffnete sie die Augen wieder, versuchte, die Wangen mit den Händen zu kühlen und wieder ruhiger zu atmen. In ihrem Kopf drehte sich alles.
Die Zofe sah jetzt sehr ängstlich aus und reichte ihr ein Glas Wasser.
Blanche nahm es und trank, bis sie einen Bruchteil ihrer Fassung zurückgewonnen hatte. Irgendwie musste sie vergessen, was sie gesehen hatte. Sie durfte nicht mehr an Sir Rex in diesem Augenblick der Leidenschaft denken.
„Bring mir bitte einen Fächer“, flüsterte Blanche. Wenn es ihr nicht gelang, dieses Ereignis aus ihren Gedanken zu verbannen, wie sollte sie dann um sieben mit Sir Rex zu Abend essen?
Wieder dachte sie an seine dunkle und – ja, doch – attraktive Gestalt. Dann entspannte sie sich ein wenig. War sie auch peinlich berührt gewesen, hatte sie doch die Verlegenheit in seinem Blick erkannt. Mitgefühl stieg in ihr auf.
Was war das für ein Mann, der sich selbst am Ende der Welt der Einsamkeit überließ und nur selten in die Stadt kam? Welcher Mann ließ sich am helllichten Tag mit einem Hausmädchen ein? Warum gab er einem Dienstmädchen den Vorzug gegenüber einer Dame? Gewiss gab es dafür eine plausible Erklärung, denn Sir Rex war weder grausam noch primitiv. Und vor allem – warum war ein Mann seines Alters noch unverheiratet?
„Sind Sie krank?“, wiederholte Meg besorgt.
Es war ihr unverständlich. Blanche reichte ihr das Glas zurück. Sie hasste Klatsch – denn der war zumeist boshaft. Aber jetzt wünschte sie sich, ihren Gastgeber zu verstehen – und sie brauchte eine Vertraute. „Ich werde dir sagen, warum ich so beunruhigt bin, wenn du mir schwörst, dass du niemandem erzählst, was ich gesehen habe.“
Meg nickte, offenbar überrascht, dass ihre Herrin derart vertraut mit ihr reden wollte.
„Ich traf Sir Rex an, als er gerade mit dem Hausmädchen zusammen war. In sehr indiskreter Weise.“
Fassungslos starrte Meg sie an.
„Meinst du,
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