Die Lady mit dem Bogen
»Wir sprechen nicht für die Königin, doch kann ich versprechen, das wir Euch für den Fall unserer Freilassung eine Vorsprache bei ihr ermöglichen, in deren Verlauf Ihr diese Punkte zur Sprache bringen könnt.«
»Wird mir freies Geleit zugesichert?«
»Ja«, sagte Mallory. »Dafür verbürge ich mich.«
»Ein schönes Leben, wie wir es uns vorstellen, kostet viel Gold.«
»Das wird bei der Königin auf Verständnis stoßen.« Saxon wartete, während der Dieb sich ihr unerwartetes Angebot durch den Kopf gehen ließ. Zugegeben, Mallory hatte eine kluge Lösung für ein kniffliges Problem gefunden … falls die Königin gewillt sein würde, den Dieb in den Palast kommen zu lassen, und falls sie einsah, dass es ein vernünftiger Handel war.
Malcoeur nickte und gab den Eingang frei, nicht ohne ihnen zu bedeuten, sie sollten die niedrige Krypta verlassen.
Saxon, der vorausging, da er nicht sicher war, ob der Dieb es ehrlich meinte oder ihnen eine Falle stellte, sah sich um, als sie aus der Krypta traten. Wie staunte er, als sein Blick auf halbfertige Malereien fiel. Sie befanden sich in der kleinen Kirche Saint-Jean. Vor ihm lag das tiefe Becken, in dem in frühchristlicher Zeit die Taufen vollzogen worden waren.
»Oh Gott!«, hörte er Mallory hinter sich flüstern. Der uralte Kirchenraum, den nun wieder herrliche Fresken schmückten, weckte eine heilige Scheu in ihr.
Er nahm ihre Hand und hielt sie dicht bei sich, als sie im Gleichschritt mit Malcoeur um das Becken herum zur Treppe gingen. Am Fuß der Treppe trat er vor sie hin.
»Ihr habt drei Tage Zeit, um für mich eine Audienz bei der Königin zu erwirken«, sagte der Dieb. »Gelingt es Euch nicht, werde ich Euch jagen, und Ihr werdet dafür büßen, falls Ihr mich hereinlegen wollt.«
»Wie sollen wir in Verbindung treten?«, fragte Mallory, deren äußere Gelassenheit Saxon wieder Grund zum Staunen lieferte. Ihre Finger zitterten in seiner Hand wie bei einem heftigen Fieberanfall.
»Hinterlasst hier eine Nachricht.« Er deutete auf eine Nische auf der rechten Seite der Treppe. »Ich werde sie finden.«
»Ich werde einen Pfeil hinterlegen«, erwiderte sie. »Der Schaft wird für jede Stunde nach Sonnenaufgang bis zur Zeit Eures Erscheinens vor der Königin eine Kerbe aufweisen.«
Der Dieb war einverstanden und gab ihnen den Weg frei.
Mallory rührte sich nicht von der Stelle. »Monsieur Malcoeur, wenn Ihr uns bei der Suche nach dem Mörder helft, müsst Ihr wissen, was wir wissen. Der Täter bewies trotz seines Fehlschusses auf die Königin, dass er ein geübter Bogenschütze ist. Als ich einer Schülerin Unterricht erteilte …«
»Das ist ohne Bedeutung.« Saxon nahm ihren Arm und wollte sie die Stufen hinaufgeleiten.
»Warum sagst du das?« Sie sah ihn so eisig an, wie sie Malcoeur angesehen hatte. »Der Mörder hat uns vielleicht mit den ersten Schüssen in die Irre führen wollen, weil der Pfeil, der exakt wie meiner über das Feld flog …«
»… von mir kam.«
Sie starrte ihn an und wünschte, er hätte einen anderen Zeitpunkt und einen anderen Weg gewählt, ihr die Wahrheit zu enthüllen. »Du kannst so vortrefflich schießen?«, stieß sie erstickt hervor.
»Ja.«
»Aber warum hast du diesen Pfeil so abgeschossen, dass er zugleich mit meinem das Ziel traf?«
»Ich wollte dich ablenken.«
»Warum?«
Da er wusste, dass Malcoeur mit der Andeutung eines Lächelns zuhörte, musste Saxon eine Geschichte erfinden, die ihre Frage beantwortete, ohne den Grund seiner Anwesenheit in Poitiers preiszugeben. Er legte ihr die Hände auf die Schultern und sagte, indem er ein wenig Wahrheit mit den Lügen mischte, die er ihr weiterhin auftischen musste, bis er seine Aufgabe in Poitiers erfüllt hatte: »Weil ich fürchtete, du würdest dich in zu große Gefahren begeben, wenn du der Lösung des Geheimnisses nähergekommen wärest.«
»Du hast die Farben des Comte benutzt. Warum?«
»Zur Ablenkung, wie ich schon sagte.« Saxon hörte Malcoeurs hämisches Lachen und sagte: »Das können wir später besprechen.« Ohne ihr Zeit zur Antwort zu lassen, schob er Mallory vor sich die Treppe hinauf, ehe Malcoeur seine Meinung änderte und ihnen Klingen in den Rücken jagte.
Als sie in den Mondschein hinaustraten, sah er etwas im Gras vor der Kirche. Sie lief hin und bückte sich nach ihrem Bogen und dem noch mit Pfeilen gefüllten Köcher.
Wieder zu ihm tretend, sagte sie in einem Ton, dessen Kälte ihm verriet, dass seine List mit dem Pfeil sie tief
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