Die Lady mit dem Bogen
ihre Söhne und König Louis sie nicht im Stich lassen dürfen, andernfalls sie dem Zorn ihres Gemahls ausgeliefert ist. Die Rechtfertigung, dass sie ihn hinterging, weil er sie hinterging, wird ihn nicht milder stimmen. Das zeigen die auf sie verübten Anschläge.«
»Deshalb sollte sie größtes Interesse haben, sich mit Malcoeur zu treffen, ehe sie einem Anschlag zum Opfer fällt.«
»Wie gesagt, vor kurzem noch hätte ich dir beigepflichtet. Jetzt bin ich nicht mehr so sicher.«
»Wenn wir zu ihr gehen …«
»Nein«, sagte sie und strich ihm sein Haar aus dem Gesicht. »Du musst zu deinem Bruder gehen und bei ihm wachen. Ich spreche mit der Königin. Sie brachte mich an diesen Ort, damit ich ihr beistehe, und das werde ich tun.«
»Ob sie es will, dass du es tust, oder nicht.«
Sie nickte. »Ob sie will, dass ich es tue, oder nicht.«
kapitel 17
M allory hätte am liebsten die Tür zu ihrem Gemach zugeknallt, unterließ es aber. Die Königin hätte es hören können, ein Gedanke, dessen Ironie ihr ein verbittertes Auflachen entlockte. Die Königin hatte keinem einzigen Wort Mallorys während der in angespannter Atmosphäre verlaufenden Audienz Gehör geschenkt.
Ruby blickte mit fragendem Blick von ihrer Näharbeit auf. Auch Chance neben ihr starrte Mallory an, als sie durch den Raum stürmte und Bogen und Köcher aufs Bett warf. Diesmal blieb der Kopf des Hundes am Boden und sein Schweif reglos.
»Frag mich nichts«, sagte Mallory, bemüht, ihren erregten Ton zu unterdrücken, als sie sich auf die Bettkante setzte. »Verzeih. Mein Ärger gilt nicht dir.«
Ruby eilte zu ihr und kniete nieder. »Mylady, erkannte die Königin nicht, wie weise Euer Plan zu ihrer Rettung ist?«
»Sie ist von seiner Notwendigkeit nicht überzeugt. Sie glaubt, dass ihre Garde zum Schutz ihres Lebens genügt. Sie sagte, ›Ihr wart bislang sehr erfolgreich‹.«
Ruby riss die Augen auf, und Mallory merkte daran, dass sie die Sprechweise der Königin nicht nur im Geist nachgeahmt hatte. Sie hatte den aquitanischen Akzent der Königin laut imitiert.
»Mylady …«
Mallory, die nun aufstand, schenkte ihrer Zofe das freundlichste Lächeln, das ihr zu Gebote stand. »Verrate niemandem, dass ich so redete.«
»Das würde ich niemals, Mylady. Ihr wisst, dass Ihr mir vertrauen könnt.«
»Das weiß ich. Wenn …«
Ein heftiges Pochen an der Tür unterbrach sie.
Als Ruby ging, um zu öffnen, griff Mallory nach Pfeil und Bogen. Ein so dringendes Pochen konnte Vorbote einer gefährlichen Situation sein, und sie wollte gewappnet sein.
Ein großer Irrtum, wie sie merkte, als sie Vater Hilaire auf dem Korridor stehen sah. Gezeichnet von den vielen Stunden ohne Schlaf rang der Priester von Saint-Porchaire verzweifelt die Hände.
»Wie geht es Sir Godard?«, fragte sie, obschon sie es zu wissen glaubte. Der Priester hätte nicht vor ihrer Tür gestanden, wäre die Situation nicht sehr ernst gewesen.
»Mylady, Ihr müsst kommen. Seine Zeit ist kurz bemessen.«
Sie eilte mit ihm die erstaunlich leeren Gänge entlang. Die Höflinge mussten sich wieder zu einer Gesprächsrunde des Liebeshofes zusammengefunden haben, ohne Rücksicht darauf, dass ein Mann, der mit seiner Frau Liebesfreuden hätte genießen sollen, im Sterben lag.
Vater Hilaire öffnete ihr die Tür und ließ sie eintreten. Ohne die üblen, von Wunden und menschlichen Ausdünstungen verursachten Gerüche zu beachten, die ihr entgegenströmten und sie einhüllten, lief sie zu Saxon, der am Lager seines Bruders stand. Sir Godard rang mit geschlossenen Augen und geöffnetem Mund unter blutgetränktem Bettzeug um jeden Atemzug.
Sie ergriff Saxons Hand und flüsterte: »Es tut mir ja so leid.«
»Wann wird die Königin Malcoeur empfangen?«, fragte er, ohne seinen Blick von seinem Bruder abzuwenden.
»Denk jetzt nicht daran.« Sie legte ihre andere Hand über seine. »Das kann warten, Saxon.«
»Saxon?«, wiederholte sein Bruder.
Der Priester machte sich um das Bett zu schaffen, um für das Spenden der Sterbesakramente alles vorzubereiten, Sir Godard aber hatte nur Augen für seinen Bruder.
Saxon ließ ihre Hand los und ergriff die seines Bruders. »Hier bin ich, Godard.«
»Du musst gehen.«
»Gehen? Wohin?«
»Zu Vater. Du musst ihm sagen, dass ich es wenigstens schaffte, alle zu täuschen.« Er hustete und zuckte zusammen. »Sogar dich konnte ich hinters Licht führen, da dir nie der Gedanke kam, ich könnte derjenige gewesen sein.«
»Wer denn?«
Sir Godard
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