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Die Lady mit dem Bogen

Die Lady mit dem Bogen

Titel: Die Lady mit dem Bogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyn Kelley
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gekränkt hatte: »Wir müssen rasch in den Palast. Sicher bist du in großer Sorge um deinen Bruder.«
    Er wollte nicht eingestehen, dass er während der Unterredung mit Malcoeur nicht ein einziges Mal an Godards Zustand gedacht hatte. Er hatte sich voll darauf konzentriert, Mallorys Leben zu schützen, während sie um ihrer beider Freiheit feilschte.
    »Warum hast du König Louis’ Namen vor Malcoeur genannt?«, fragte er.
    »Ich wollte ihm einen Schock versetzen.«
    »Das hast du. Du hast uns beide schockiert.«
    »Dich wollte ich nicht schockieren.« Ihr Ton war knapp. »Dich hielt ich für einen Verbündeten.«
    Anstatt ihr zu antworten, lief er mit ihr durch die dunklen Straßen. Es musste lange nach Mitternacht sein. Alles, was er jetzt sagte, würde zu weiteren Fragen führen, die er nicht beantworten wollte. Sein vermeintlicher Verrat hatte sie schon genug getroffen. Er musste es vermeiden, ihr noch zusätzlich Schmerz zuzufügen.
    Erst als sie den Graben erreicht hatten und das Tor zum Palast durchschritten, sagte er: »Mallory, es tut mir leid, dass ich dich auf so absurde Weise abzulenken versuchte.«
    »Du hättest mir die Wahrheit anvertrauen können.« Schmerz färbte ihren Ton, und das Beben ihrer Stimme wurde mit jedem Wort spürbarer. »Immer forderst du von mir die Wahrheit, aber diesmal, als du zu mir aufrichtig hättest sein können, hast du dich für kindische Spielereien entschieden.«
    Er wünschte, er hätte ihr Gesicht im Licht des Mondes sehen können, sie aber blickte von ihm fort. »Ich weiß nicht, wieso ich dir damals nicht trauen konnte.«
    »Weil du mich für unfähig hieltest, mich und die Königin zu verteidigen?«
    »Das dachte ich nie.«
    »Nie?«
    Mitten im Schritt innehaltend, packte er ihren Arm, um sie daran zu hindern, einfach davonzugehen. »Jedenfalls nicht lange, Mallory. Andere Frauen lassen sich von einem Lied, einem Gedicht oder einer schönen Blume ablenken. Ich wusste, dass dich keines dieser Dinge lange ablenken konnte, das Geheimnis eines unsichtbaren Bogenschützen aber sehr wohl.«
    Mit einem tiefen Seufzer ließ sie ihre Schultern sinken. »Warum musst du jetzt Vernunft beweisen? Warum konntest du es damals nicht?«
    »Das kann ich nicht beantworten. Ich kann dich nur bitten, mir zu verzeihen. Bist du dazu bereit?«
    Sie ließ die Frage unbeantwortet und fragte stattdessen: »Warum wähltest du die Farben des Comte du Fresne?«
    »Als ich überlegte, wer so ehrlos sein könnte, die Königin zu ermorden, fiel mir du Fresne ein, der die Seiten nach Gutdünken wechselt. Ich hatte ja keine Ahnung, dass er in dem Moment in Poitiers eintreffen würde, in dem ich den Pfeil abschoss.«
    Sie sah ihn mit großen Augen an. »Glaubst du, du Fresne beabsichtigt, die Königin zu töten?«
    »Er zeigt keine Neigung, sich in die Verschwörung hineinziehen zu lassen, die auf ihren Tod abzielt. Ich habe einen Gewährsmann, der ihn genau beobachtet.« Nun seufzte er wie sie und atmete langsam aus. »Ich hätte einen anderen Weg finden müssen, dich vor Gefahr zu bewahren. Du hast noch nicht gesagt, ob du mir verzeihst.«
    »Ich habe mich noch nicht entschieden.«
    »Mallory, das ist kein Scherz.«
    Lange sagte sie nichts. Als er schon glaubte, sie hätte ein Schweigegelübde abgelegt, sagte sie: »Ich muss dir vergeben. Wie sonst kann ich würdigen, dass du mich beschützen willst?« Sie strich über seine Wange und versetzte ihm dann einen leichten, spielerischen Schlag. »Aber ich brauche deinen Schutz nicht.«
    Er lächelte, als er ihre Hand ergriff und einen Kuss auf die Handfläche drückte. Als er aufblickte, war ihr Lächeln weicher geworden. »Gestatte mir wenigstens die Vorstellung, dass du meinen Schutz so sehr brauchst, wie ich dich in meinen Armen brauche.«
    »Wenn es denn sein muss.«
    »Es muss sein, also erlaube, dass ich den Pfeil mit den Kerben nach Saint-Jean bringe.«
    »Falls die Königin einwilligt, mit Malcoeur zu sprechen«, sagte sie, als sie über den Hof gingen, auf dem die Steine in der Nacht zu milchigem Grau verblasst waren.
    »Falls?«
    »Sie mag es nicht, wenn man ihr Vorschriften macht, und sie wird tun, was sie zu tun wünscht, wenn sie es wünscht.« Sie blieb stehen und sah ihn an. »Als ich nach Poitiers kam, hielt ich die Königin für vollkommen. Sie erschien mir allwissend, bar aller widersprüchlichen Leidenschaften, die uns alle so unvollkommen machen. Ich irrte mich. Sie ist keine Göttin. Sie ist eine Frau voller Angst, die weiß, dass

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