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Die Lady mit dem Bogen

Die Lady mit dem Bogen

Titel: Die Lady mit dem Bogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyn Kelley
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Lautensaiten nicht entlocken lassen. Alles, woran er sein Leben lang geglaubt hatte, war dahin.
    Als der Mond aufging, war Saxon in den Palast zurückgekehrt. Er war allen ausgewichen und auf den leeren Turm des Palastes gestiegen. Dort hockte er sich auf einer vom Mond beschienenen Stelle hin. Die Fäuste an die Augen gepresst, flüsterte er die Worte, die er nicht mehr für sich behalten konnte: »Warum, Godard? Warum dieser Hass auf mich, da du doch Vaters über alles geliebter Erbe warst?«
    Eine Hand berührte sanft seinen Arm.
    Er schüttelte sie ab. »Lass mich in Ruhe!«
    »Saxon, ich kann dir helfen«, sagte Mallory leise. »Lass mich dir helfen.«
    »Wie denn?« Er hielt den Blick gesenkt.
    »Als deine Mutter starb, warst du ein Baby. Bei mir liegt der Tod der Mutter noch nicht so lange zurück. Ich weiß, wie es ist, wenn man einen geliebten Menschen verliert.«
    »Ich habe auch Menschen verloren, die ich liebe.« Er würgte und krümmte sich noch mehr zusammen. »Godard überbrachte mir die Nachricht vom Tod meines Ziehbruders.«
    Sie kniete neben ihm nieder. »Das tut mir leid. Ich weiß, dass du ihn betrauerst, und ich weiß, dass du auch um Godard trauerst. Du warst Teil dreier Seelen, die zugleich auf diese Welt kamen. Nun sind zwei dahingegangen, und du fühlst dich allein.« Sie lehnte ihre Stirn an seine Schulter. »Du bist nicht allein.«
    »Mallory, im Moment wäre ich gern allein.«
    »Ich weiß.«
    Er wartete, sie aber machte keine Anstalten zu gehen. »Mallory, ich sagte, dass ich jetzt gern allein sein würde.« Als er aufstand, hockte sie sich nieder. »Wenn du nicht gehst, werde ich eben gehen.«
    »Wohin denn? Wo willst du deinem Kummer entfliehen?« Er ging.
    »Du kannst ihm nicht entfliehen«, rief sie seinem Rücken nach.
    »Woher weißt du das?«, knurrte er im Weitergehen.
    »Weil ich weiß, dass du unter mehr als nur an Kummer leidest. Du fühlst dich hintergangen, und ich weiß, was es heißt, von jemandem hintergangen zu werden, von dem man glaubte, man könne sich stets auf ihn verlassen.«
    Er blieb stehen und drehte sich zur ihr um. Tränen flossen ihr über die Wangen, doch aus ihren Augen strahlte innere Stärke, aus Schmerz, Verrat und Enttäuschung geboren, die sie nicht nur einmal erfahren hatte, sondern immer wieder, bis sie den Glauben an andere verloren hatte. Doch trotz allem, was sie erlitten hatte, wagte sie zu hoffen, denn sie vertraute ihm. Sie trat vor ihn hin und nahm seine Hände und hob sie an sein Herz.
    »Saxon«, flüsterte sie, »was immer dein Bruder tat oder sagte oder war, es war seine Sache. Er traf seine Entscheidungen, und du die deinen. Es dauerte viele Jahre, bis ich diese Lektion begriff.«
    »Er muss den Überfall der Männer in Rüstung auf uns ausgeheckt haben.« Er schüttelte den Kopf. »Ich hätte es mir denken können … er wurde nur unerheblich verletzt, obwohl er es mit ihm überlegenen Gegnern zu tun hatte.« Er ballte die Hände an seinen Seiten zu Fäusten. »Ich möchte wissen, welche Sorte Menschen das sind, die eher Gift schlucken, als ihre Geheimnisse zu verraten.«
    »Das wird man vielleicht nie erfahren.«
    »In einem hatte Godard freilich recht. Er konnte mich täuschen.«
    »Und es ist ein schreckliches Gefühl, getäuscht zu werden.« Sie lächelte betrübt. »Ich musste dies wie du erfahren, aber ich lernte auch, dass im Zweifelsfall für jeden die Unschuldsvermutung gilt.«
    »Ach so?« Er lächelte trotz Zorn und Kummer. »Bei mir hast du dieses Prinzip nie gelten lassen.«
    »Vielleicht sollte ich sagen, fast für jeden.« Sie wurde wieder ernst. »Oder aber es war die Art, wie du meine Abneigung herausgefordert hast. Obwohl ich jetzt weiß, dass dies zu deinem Versuch gehörte, mich von der Suche nach dem Mörder abzulenken … Ach, Saxon, es tut mir leid.«
    Er entzog ihr seine Hände, und sie wurde aschfahl. Glaubte sie, er würde wieder einfach fortgehen? War ihr nicht bewusst, dass er sie jetzt brauchte wie nie zuvor? Sie war das einzige vernünftige Stückchen seines Lebens. Irgendwie hatte sie die eiserne Energie eines Kriegers mit der sanften einer Frau zu verquicken verstanden.
    Er legte den Arm um ihre Taille und zog sie an seine Brust. Dann küsste er sie intensiv, von dem Wunsch erfüllt, bis auf sein Verlangen nach ihr alle Gefühle auszuschalten. Er streckte die andere Hand aus und fand eine Tür in Reichweite. Diese öffnete er, ohne ihre Lippen freizugeben.
    Als er aufblickte, entdeckte er, dass es ein

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