Die Lady mit dem Bogen
ausheckte. Wir alle hielten ihn für verrückt und dachten, man würde ihn rasch als Spion entlarven. Er bewies uns das Gegenteil, und jetzt macht er sogar dem Aufstand ein Ende.«
»Es war nichts, wozu nicht jeder wackere Mann auch gewillt gewesen wäre«, ließ Saxon sich vernehmen, verschaffte sich die Flasche wieder und hielt sie in die Höhe. »Und es war leicht, gewillt zu sein, da die Damen gewillt waren.«
Mallory hörte die Hochrufe und das Gelächter der Männer durch die wilde Wut hindurch, die in ihrem Kopf hämmerte. Wie hatte sie nur so dumm sein können? Saxon hatte zu ihr gesagt, dass er nicht völlig aufrichtig war; und doch hatte sie sich in dem Glauben gewiegt, er wäre es.
Fast blind vor Wut, weil sie sich wieder von einem Mann, dem sie vertraute, hinters Licht hatte führen lassen, warf sie den Stein auf den Boden und griff nach ihrem Bogen. Sie ging in Stellung, legte einen Pfeil an und schoss. Der Pfeil schoss zwischen den Saiten der Laute hindurch und entlockte ihr einen Misston, ehe er sich ins Erdreich neben dem Feuer bohrte. Sie lächelte, als mit Ausnahme Saxons alle Männer aufsprangen und erschrocken um sich blickten.
Er erhob sich langsamer und trat einen Schritt auf sie zu, ehe ihre Arme gepackt wurden. Sie wurde auf den Boden geworfen, dann wurde ihr der Bogen entrissen. Sie verdrehte ihren rechten Arm und befreite ihn, als ein Fußtritt in ihren Rücken sie wieder brutal zu Boden stieß.
Sie stöhnte auf und hoffte inständig, dass ihr Rückgrat nicht gebrochen worden war. Finger und Zehen ließen sich noch bewegen, wie sie rasch feststellte. Das bedeutete, dass sie entfliehen konnte. Als der Fuß in ihrer Rückenmitte sich rührte, ließ sie sich von ihm umdrehen. Das war ihre Chance. Den Fußknöchel mit beiden Händen fassend, verdrehte sie ihn mit aller Kraft.
Der Mann fiel um und wäre fast auf ihr gelandet. Sie sprang auf, machte einen Schritt und hielt sofort inne, als sie sich von Schwertspitzen umzingelt sah. Sie senkte die Hände und drückte ihre langen Ärmel an den Körper.
Saxon versuchte, sich an den Männern vorbeizudrängen, aber keiner rührte sich, als eine Gruppe von Männern auf sie zugeschritten kam.
Als die Männer, die sie umgaben, ihre Knie beugten, folgte Mallory ihrem Beispiel. Sie hoffte, dass diese Männer dem Earl, der sie befehligte, ihren Respekt bekundeten, wusste aber, dass ihre Hoffnung vergebens war, als eine starke Stimme rief: »Ist der Sohn von Juste Fitz-Juste zugegen, der die Nachricht für den König überbrachte?«
»Hier bin ich.« Saxon richtete sich auf.
»Tretet vor.«
Er zögerte, dann sah er Mallory an. »Das werde ich, nachdem ich meiner Begleiterin aufgeholfen habe.«
»Nein!«, riefen die Männer, die sie umgaben, einstimmig.
»Sie hätte uns töten können«, knurrte der eine. Er stieß sie an, und sie musste sich beherrschen, um nicht zusammenzuzucken, als seine Schwertspitze in ihren Oberarm schnitt. »Sie hat einen Pfeil mitten in unsere Gruppe abgeschossen. Hätte die Laute ihn nicht abgelenkt …«
Der Rest seiner Wort ging unter, als die anderen zu schildern versuchten, was sich zugetragen hatte. Ihre Versionen waren so übertrieben und unwahrscheinlich wie Saxons Heldenlieder. Sie alle verstummten wie auf einen Schlag, als ein Mann vortrat. Er trug keine Krone oder ein anderes Abzeichen seiner Würde, doch als die anderen ihm den Weg freigaben und wieder die Knie beugten, wusste sie, dass es König Henry war, Herrscher über England, Wales, Irland und seine Erblande auf dem Kontinent sowie über alle Territorien, die durch Heirat an ihn gefallen waren.
Sie starrte ihn an, den Mann, der Königin Eleanor Treue geschworen hatte. Sein Haar war grau durchsetzt, seine Schultern aber waren nicht gebeugt. Sein Gesicht, von der Zeit und dem rauen Leben, das hinter ihm lag, gefurcht, ließ noch den schmucken jungen Mann ahnen, der das Herz einer Herzogin und mit ihm ein vom Anjou im Norden bis fast zu den Pyrenäen reichendes Gebiet gewinnen konnte.
»Habt Ihr den Pfeil abgeschossen?«, fragte er, als er auf sie zuging und die Schwertkämpfer wie verängstigte Mäuse zurückwichen.
»Ja.« Mallory sagte es hocherhobenen Hauptes. Sie wollte vor dem König nicht lügen.
Saxon trat vor, indem er sich an den kauernden Männern vorbeizwängte, und sagte leise. »Sie beging einen Fehler, Euer Majestät. Wer mit dem Bogen nicht vertraut ist, kann einen Pfeil in die Irre schicken. Niemand wurde verletzt, es entstand kein
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