Die Lady mit dem Bogen
Pergament. »Dies ist in der Sprache des Nordens abgefasst.«
»Ihr glaubt nicht, dass die Drohung aus Aquitanien kommt?«
»Ich habe keine Ahnung, da doch überall Verräter lauern, sogar in meiner eigenen Familie.« Ohne Mallory Gelegenheit zu geben, auf diese starken Worte zu reagieren, fuhr die Königin fort: »Ihr fragt, warum ich um mein Leben bange? Ganz einfach. Eine Botschaft wie diese ist nicht die erste, von der ich erfuhr. Und immer ist die Drohung gegen eine bestimmte Person wie auch gegen mich gerichtet.« Sie sah Mallory kühl und ruhig an. »Ihr seid die Erste, Lady Mallory, die nicht zu mir kommt und mich bittet, den Hof verlassen zu dürfen.«
»Wenn die Absicht dahintersteckt, alle Eure Getreuen vom Hof zu vertreiben, darf der Plan nicht wirksam werden.«
»Man will, dass ich schutzlos dastehe, doch wird der Plan keinen Erfolg haben, solange ich meine Bewacher um mich habe. Jetzt begreift Ihr, warum ich Euch in meiner Nähe haben wollte.« Sie tippte sich mit dem Finger aufs Kinn. »Ich werde Eure Sachen in ein Gemach innerhalb meiner Suite bringen lassen. Auf diese Weise seid Ihr mir nahe, wenn meine Gentlemen es nicht sein können.« Sie zeigte die Andeutung eines Lächelns. »Meine Eitelkeit verbietet mir, mich alte Frau im Bad vor jungen Männern zu präsentieren.«
»Verlangt von mir, was Ihr wollt.« Sie achtete nun darauf, nur eine kleine Verbeugung zu machen.
»Ich verlange, dass Ihr alles tut, um den Bogenschützen zu finden.«
»Das werde ich.«
»Befragt alle, da Ihr in meinem Auftrag handelt.«
»Das werde ich.« Wieder zögerte sie, ehe sie fragte: »Auch Eure Bewacher?«
Die aufgerissenen Augen der Königin verrieten, dass diese unverblümte Frage sie erschreckt hatte. »Ich vertraue denen, die ich berief, um mich zu schützen.«
»Das ist mir klar, doch dachte ich, sie hätten vielleicht etwas gesehen oder gehört, das mir weiterhilft.«
»Wenn es so wäre, wären sie mit dieser Meldung sofort zu mir gekommen – wie Ihr auch, Lady Mallory.«
Mallory sagte nichts darauf, da der Ton der Königin schon Warnung genug war, keine weiteren Fragen über ihre Bewacher zu stellen. Mallory erschien es nur logisch, mit ihnen zu sprechen, da ihnen am ehesten etwas aus dem Rahmen Fallendes auffallen würde. Dem Wunsch der Königin gemäß würde sie ihnen keine Fragen stellen.
»Ich hörte, dass einige meiner Damen bei Euch Bogenschießen lernen wollen«, sagte die Königin in die Stille hinein.
»Ja.« Kein Wunder, dass Königin Eleanor ihr Gespräch mit den Damen nicht entgangen war. Im Palast blieb nichts lange geheim … bis auf die Identität der Person, die die Königin bedrohte.
»Was haltet Ihr von der Idee?«
Nun war Mallory verwundert. Sie hatte nicht erwartet, dass die Königin ihr zu diesem Thema eine Frage stellen würde. »Ich … ich...« Sie schluckte hart und setzte neu an. »Ich denke, dass es vernünftig wäre, wenn Ihr so viele ausgebildete Beschützer um Euch habt wie nur möglich.«
Königin Eleanor lachte leise auf. »Ich erwarte nicht, dass Ihr sie zu guten Schützinnen ausbildet. Aber solche Lektionen bieten Euch Gelegenheit, mehr über die Mitglieder meines Hofes zu erfahren. Auf diese Weise werdet Ihr eher erkennen können, ob etwas nicht in Ordnung ist.«
Oder jemand, setzte Mallory im Stillen hinzu, ehe sie sagte: »Das ist eine gute Idee. Wenn es Euch genehm ist, beginne ich morgen Nachmittag mit dem Training.«
»Sehr genehm. Noch eines, Lady Mallory.«
»Ja?«
»Achtet auf Eure Sicherheit.« Ihr Ton verriet Ingrimm. »Ihr seid die Erste, die die Drohung ignoriert, und ich möchte nicht, dass Ihr die Erste seid, die von den Händen meiner Feinde den Tod findet.«
Der Raum des Bogenmachers erinnerte an jenen in St. Jude’s Abbey. Die gleichen Gerüche nach gehobeltem Holz, nach den Polituren und Wachsen, die nötig sind, um einen Bogen trocken zu halten. Ein Sack voller Graugansfedern lag neben einem Tisch, an dem ein Mann eine einzelne Feder an einem Pfeilschaft anbrachte. Am anderen Ende des Schaftes war eine leicht gerippte Pfeilspitze befestigt. Das dunkle Haar fiel ihm in die Stirn und verbarg das Gesicht. Mallory bezweifelte, dass er ihr Eintreten gehört hatte.
Sie wartete geduldig. Einen Pfeilmacher störte man nicht bei der Arbeit. Man brauchte eine ruhige Hand, um einen Pfeil richtig zu befiedern. Die kleinste Bewegung konnte die Feder, die am Schaft angebracht werden sollte, unbrauchbar machen.
Der Staub vom Glattschleifen der
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