Die Lady mit dem Bogen
Liebeshofes stattfanden. Als man sie durch die Halle in den viel kleineren Raum geleitete, hatte sie nichts wahrgenommen außer gewaltigen Dimensionen.
»Nein, ich sah nicht, wer den Pfeil abschoss«, sagte Mallory leise. Da die Königin ihr diese Frage vor ein paar Minuten schon einmal gestellt hatte, konnte man annehmen, dass sie aufgebrachter war, als es den Anschein hatte. Das weckte in Mallory Besorgnis. Sie hatte erwartet, die Königin würde kühl und umsichtig sein wie bei ihrem Besuch in der Abtei. Einmal mehr musste sie sich ins Gedächtnis rufen, dass Königin Eleanor sich im Kloster nicht bedroht gefühlt hatte. »Saxon fiel nichts auf, und Ruby, die auf der anderen Seite des Raumes beschäftigt war, auch nicht.« Sie zögerte, ehe sie fragte: »Der Bote König Louis’ sagte, er wolle in die Küche gehen, doch …«
»Bertram de Paris kann es nicht gewesen sein, da er innerhalb dieser Mauern den französischen König repräsentiert und keine Ursache hat, eine meiner Damen zu bedrohen.« Um den Mund der Königin lag Anspannung. Man sah die Linien, die von den vielen, schweren Jahren kündeten, die hinter ihr lagen, Jahre, die Kriege gebracht hatten, Scheidung, Gerüchte, Betrug und wieder Krieg.
»Er ist hier aber der einzige Fremde«, widersprach Mallory.
»Auch Ihr seid hier fremd.«
»Ich – oder Saxon – war das Ziel! Wenn Ihr Bertram de Paris zu einer Unterredung kommen lasst, könntet Ihr …«
Die Augen der Königin durchbohrten sie, und Mallory senkte ihren Blick. Wie hatte sie nur so töricht sein können, Zweifel an der Königin erkennen zu lassen?
Als hätte sie diese Frage laut geäußert, sagte Königin Eleanor: »Lady Mallory, Ihr seid eben erst an meinem Hof eingetroffen, deshalb will ich Euren Ausbruch entschuldigen, der, wie ich weiß, allein auf Eure Besorgnis um meine Sicherheit zurückzuführen ist. Bertram de Paris dient König Louis von Frankreich, der ein Verbündeter meines Sohnes ist. Euch ist doch klar, was dies bedeutet?«
»Ja.« Mallory biss sich auf die Unterlippe, ehe ihr weitere Worte entkommen konnten. Sie durfte nicht schon wieder etwas Falsches sagen! Nach einem Augenblick der Sammlung setzte sie leise hinzu: »Ich weiß auch, dass jemand kein Hehl daraus macht, wie sehr er oder sie sich wünscht, dass ich verschwinde.«
»Etwas anderes war nicht zu erwarten.« Fast schien die Königin befriedigt, weil ihr Feind sich wie erwartet verhalten hatte. »Jemand wünscht meinen Tod, und Ihr seid hier, um mich zu schützen. Wenn es gelingt, Euch Angst einzujagen und zu vertreiben, bleibe ich ungeschützt zurück. Das darf nicht geschehen.«
Mallory unterdrückte ein erleichtertes Lächeln. Diese entschlossene Frau war die Königin, der ihre Bewunderung galt. Sie stand auf und verbeugte sich und erkannte sofort ihre Torheit, als Schwindel sie erfasste wie eine plötzliche Woge. Nach einem tiefen Atemzug presste sie die Knie zusammen, damit sie beim Aufrichten nicht vornüber auf die Nase fiel.
»Ich bin hier, um Euch zu dienen, meine Königin«, sagte sie in so festem Ton, wie sie hervorbringen konnte. »Seid versichert, dass ich erst gehe, wenn Ihr es mir befehlt.«
»Das höre ich gern, Lady Mallory.«
»Hat es schon Drohungen gegeben? Wenn ich weiß, was sich schon zugetragen hat, kann ich Euch jetzt besser dienen.«
Die Brauen der Königin senkten sich unter dem Schleier. »Ich hätte gedacht, Saxon Fitz-Juste hätte Euch alle möglichen Geschichten berichtet.«
»Das hat er, doch war ich nicht sicher, was Wahrheit und was erfunden ist.«
»Wenn er nicht seine Laute spielt oder ein Gedicht vorträgt, kann man seiner Aufrichtigkeit sicher sein.«
Mallory biss sich auf die Zunge, ehe sie fragen konnte Seid Ihr sicher? Sie nickte nur. Die Königin war vertrauensseliger als Mallory. Vielleicht, weil die Königin nicht seine starken Arme um sich gespürt und in seine Augen geblickt hatte, die so viele Freuden verhießen, dass sie vermutlich eine Närrin gewesen wäre, auch nur eine zu kosten. Doch konnte sie nicht widerstehen, als sein Mund sie streifte, sein Schnurrbart ihre Haut kitzelte, ehe die Hitze seiner Lippen sie festnagelte. Als er sie an seine breite Brust drückte, hatte sie gespürt, wie wundervoll seine Küsse sein würden. Und das beunruhigte sie, denn woher hatte sie dieses Wissen beziehen können? Trotz seiner gegenteiligen Versicherungen war Saxon mit ihr nicht ganz aufrichtig.
Die Königin warf einen Blick auf das vom Pfeil durchbohrte Stück
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