Die Lady mit dem Bogen
würden.
»Werdet Ihr nach Hause zurückkehren, Lady Fleurette?«, fragte sie.
»Ich weiß es nicht sicher. Mein Vater verstarb vor zwei Jahren, und meine Mutter hat sich wieder verheiratet. Mein Stiefvater war nur allzu froh, als ich mit Landis nach Poitiers ging.«
Mallory benetzte ihre Lippen, dann sagte sie: »Lady Fleurette, wenn Ihr gestattet, hätte ich einen Vorschlag … ich weiß einen Ort, wo Ihr willkommen sein werdet und in Eurem Training fortfahren könnt.«
»Wo denn?«
»In St. Jude’s Abbey.«
»In einem Kloster?« Wieder kamen ihr die Tränen. »Ich weiß, dass meine Mutter mich gern in einem Konvent sehen würde, doch wehrte ich mich dagegen.«
»St. Jude’s Abbey ist anders als die Ordenshäuser, die man hier im Poitou und Aquitanien kennt.« Sie nahm ihren Bogen von der Schulter, legte einen Pfeil an und schoss ihn direkt in den Heustapel ab. »Dort lernte ich dies und noch viel mehr.«
»In einem Kloster?«
»In St. Jude’s Abbey, wo ich lebe. Sollte ich dorthin zurückkehren …« Fast wäre sie an diesen Worten erstickt, als sie an die Rückkehr ins Kloster dachte und daran, dass sie Saxon nie wiedersehen würde. Er kannte zwar den Weg und würde die lange Reise vielleicht nicht scheuen, um sie zu besuchen, doch würden ihnen dort die Freuden, die sie in seinen Armen entdeckt hatte, versagt sein. Letzte Nacht hatte sie keinen Gedanken an die Zukunft verschwendet, und auch als er davon gesprochen hatte, dass er vielleicht nicht immer bei ihr sein würde, hatte sie nicht bedacht, dass sie ohne ihn nach St. Jude’s Abbey zurückkehren würde.
»Lady Mallory?«
Mallory, die gewahr wurde, dass sie sich in ihren trüben Gedanken verlor, sagte nun: »Wenn ich nach St. Jude’s Abbey zurückkehre, nehme ich Euch gern mit.«
»Ihr? Ihr wollt ins Kloster zurück?«
Mallory ließ sich im Gras nieder und bedeutete Lady Fleurette, ihrem Beispiel zu folgen. Rasch erklärte sie, was sich hinter den Klostermauern abspielte. Lady Fleurettes Tränen versiegten, und in ihre Augen trat ein hoffnungsvoller Schimmer, als Mallory von den Lehrerinnen sprach, besonders von Nariko, der sie die Kunst der unbewaffneten Verteidigung verdankte.
Das Mädchen lauschte hingerissen, bis Mallory erwähnte, dass Nariko mit ihrem mittlerweile verstorbenen Vater aus einem Land gekommen war, das viel weiter östlich als Jerusalem lag. Atemlos fragte sie: »Wollt Ihr damit sagen, Eure Lehrerin Nariko sei von irgendwo jenseits der fernsten Grenzen des persischen Reiches gekommen?«
Mallory lächelte. »Wenn Ihr im Kloster seid, könnt Ihr sie selbst über ihre Reisen mit der Königin befragen. Wir können von Glück reden, dass sie zu uns kam und uns in fernöstlichen Kampftechniken ausbildete.«
»Aber wie kann es Nariko wirklich geben? Ihr sagtet, sie hätte auf einer Insel gelebt, wo glühende Felsblöcke aus Feuerbergen hervorstürzen.«
»Sie ist wirklich, und solche Berge gibt es jenseits des Meeres, das sich zwischen Rom und Jerusalem erstreckt. Im Kloster bekam ich oft zu hören, wie auch du es hören wirst, dass man lernen muss, sich ein eigenes Urteil auf der Grundlage eigener Beobachtungen zu bilden und nicht auf bloße Gerüchte und Behauptungen zu hören.«
Fleurette nickte. »Ich will es versuchen.«
»Wollt Ihr nach St. Jude’s Abbey?«
»Sehr gern«, sagte sie inbrünstig. »Hier gibt es für mich nichts mehr, und Euer Training sagte mir zu. Ich möchte es fortsetzen. Wann reisen wir?«
»Das weiß ich noch nicht.« Sie blickte zur Stadtmauer, damit das Mädchen nicht sehen konnte, wie sehr der Gedanke an den Abschied von Saxon sie schmerzte. »Wie ich schon sagte, bin ich im Dienst der Königin hier. Erst wenn sie mich entlässt, kann ich fort. Ich …«
Jemand durchschritt das Stadttor. Saxon! Ihr Herz krampfte sich vor Angst zusammen, als sie sich die Gründe ausmalte, die ihn bewogen haben mochten, das Krankenlager seines Bruders zu verlassen. Und keiner dieser Gründe war gut.
»Ich sollte jetzt gehen«, sagte Lady Fleurette und stand auf.
»Saxon wird Euch die Untat Eures Bruders nicht verübeln.« Sie stand auf und legte ihre Hand auf die Schulter des Mädchens. »Aber ich kann verstehen, wenn Euch nicht wohl zumute ist. Geht zurück in den Palast.«
»Die Königin...«
»Ich will ihr von unserem Gespräch berichten und von Euren Plänen, nach St. Jude’s Abbey zu gehen.«
»Ihr tut gut daran«, sagte Saxon, als er sie erreicht hatte, »Königin Eleanor im Moment aus dem Weg zu
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