Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition)
was alle anderen glauben?«, fragte sie. »Nur weil eine Meinung als wahr gilt, heißt es nicht, dass sie auch wahr ist.«
»Du redest Unsinn.«
»Ach?« Sie berührte den Knauf ihres Schwerts. »Ich kann damit kämpfen. Und doch glauben alle, das wäre unmöglich. Ich sehe keinen Unterschied zwischen diesem Irrtum und jenem, dem die Welt über deinen Vater anhängt.«
Seine Stirn senkte sich. »Du hast keine Ahnung, wovon du redest! Dein Kampfgeschick ist ein Kuriosum, eine Ausnahme. Mein Vater aber beging Verrat am König.«
»Bist du sicher?«
»Warum wies er nicht jene öffentlich zurecht, die ihn als Feigling schmähten, wenn er in Wahrheit kein Verräter ist?«
»Ich weiß es nicht.«
Ihre schlichte Antwort dämpfte seinen Zorn ein wenig. »Ich möchte nicht streiten. Du weißt nicht, was damals geschah.«
»Aber du auch nicht!« Sie packte seine Arme. »Christian, deinen Vater verließ sein Mut nie zuvor. Warum an diesem Tag?«
»Es heißt, dass die Schlacht verloren war.«
»Er hätte wie andere auch eine ehrenhafte Niederlage hinnehmen können. Keiner der anderen Lords, die an jenem Tag mit dem König kämpften, wurde ausgestoßen, obwohl sie versagten. Warum verließ dein Vater damals das Feld? Das ergibt keinen Sinn.«
»Wenn er nur seine Haut retten wollte, hätte er sich von sinnvollen Erwägungen nicht abhalten lassen.«
»Aber er ist dein Vater, Christian. Du würdest dein Leben der Ehre opfern. Sogar Guy hätte sein Leben gegeben, um dich zu retten, und ihm bedeutet Ehre nichts. Warum hätte dein Vater fliehen sollen, wenn ihm eine ehrenvolle Niederlage offengestanden wäre?«
»Worauf willst du hinaus?«
»Ich will damit sagen, dass es in diesem Zusammenhang Fakten geben muss, die du nicht kennst. Fakten, die aber deinem Vater bekannt sein müssen.«
»Ich fragte ihn. Doch er will darüber nicht sprechen.«
»Und deine Mutter?«
Er schüttelte den Kopf. »Sie ist seit vielen Jahren tot.«
»Sein Beichtvater?«
»Unser Hauskaplan auf Lovell Mote ist erst seit wenigen Jahren bei uns. Ob Pater James, sein Vorgänger, 1147 mit meinem Vater nach England kam, weiß ich nicht.«
»Wo ist Pater James jetzt?«
»Da bin ich nicht sicher. Als er Lovell Mote verließ, um in den Dienst des Erzbischofs zu treten, war ich ein Kind.«
»Zu welchem Erzbischof ging er?«
Er hasste es, die Hoffung in ihren Augen zu dämpfen. »Zu Becket. Es könnte sein, dass er mit ihm im Exil war.«
»Ach so.« Sie blickte lange weg, dann fragte sie: »Könnte es sein, dass er mit dem Erzbischof nach England zurückkehrte?«
»Wenn er noch lebt, muss er sehr betagt sein.«
»Also kennt nur dein Vater die Wahrheit?« Sie seufzte. »Es muss noch jemanden geben.«
»Ja, aber wen?«
Sie lehnte sich wieder an ihn, und er hielt sie fest. Sie war der einzige Mensch, dem ebenso viel wie ihm daran lag, den Namen Lovell von der Schmach der Feigheit reinzuwaschen. Er wünschte, er könnte ihr eine Antwort geben.
20
Christian schaute nicht auf, als sein Bruder seinen Namen rief. Vielleicht würde Guy ihn in der Ecke der Waffenkammer gar nicht wahrnehmen. Seine Hand verharrte über dem Schwert. Auch nicht das leise Geräusch eines Putzlappens auf Metall sollte seine Anwesenheit verraten. Er hatte sich hierher zurückgezogen, um seine Gedanken zu ordnen.
Ich will damit sagen, dass es Tatsachen um deinen Vater und König Henry geben muss, die nur dein Vater kennt. Tatsachen, die deinem Vater bekannt sein müssen.
Avisas Versicherung hallte in seinem Kopf wider. Konnte es sein, dass sie Recht hatte?
»Ich weiß, dass du hier bist!«, rief Guy durch die Waffenkammer. »Ich muss jetzt mit dir reden.«
Christian warf das Tuch auf den Tisch und stand auf. Guys vorwurfsvoller Ton verriet, dass er nicht eher gehen würde, bis er den Grund seiner schlechten Laune geäußert hatte. Christian hoffte, sein Bruder hätte nicht die Frau eines anderen verführt und brauchte nun Hilfe, um den gehörnten Ehemann zu besänftigen … wieder einmal.
»Hierher!«, rief er.
Guys Verwünschungen wurden übertönt, als Eisen auf den Boden klirrte. Er war in einen Haufen Pfeilspitzen getreten, und nun lagen sie über den ganzen Boden verstreut wie schwarze Blätter. Er durchschritt das Malheur und verlangsamte seinen Schritt nicht, ehe er vor Christian stand.
»Wann geht es endlich weiter?«, fragte Guy scharf. »Ich kann de Veres schneidende Kommentare nicht mehr ertragen.«
»Achte nicht darauf. In ihm ist mehr Prahlsucht als
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