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Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition)

Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition)

Titel: Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyn Kelley
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Stimme.
    »Indem sie die Hilflose spielt?«, hatte sie gefragt.
    »Indem sie speziell weibliche Listen einsetzt, um ihre Wünsche durchzusetzen .«
    Sie hatte nicht geahnt, dass ihr die Bedeutung von Christians Worten unter so grässlichen Umständen aufgehen würde. Sie hatte sich auf das Können verlassen, das sie sich in der Abtei angeeignet hatte. Vielleicht war sie zu abhängig davon geworden.
    Avisa senkte den Blick, spähte aber hinter den Wimpern hervor, um die Wirkung ihrer List abzuschätzen. »Man kann nicht erwarten, dass ich mich nach Einbruch der Dunkelheit in den Wald wage.« Sie gab einen Laut von sich, der wie verängstigtes Schluchzen klingen sollte. »In diesen Wäldern hausen ruhelose Geister.«
    »Ihr glaubt diese Ammenmärchen?«
    »Ihr etwa nicht?«, schoss sie zurück, ihr Gesicht in den Händen verbergend. Sie beobachtete den Räuber zwischen den Fingern hindurch. »Kein Mensch kann verlangen, dass ich nach Sonnenuntergang in den Wald gehe.«
    »In der Dämmerung …«
    Sie kreischte entsetzt auf. »Das ist ja noch schrecklicher, da die ruhelosen Geister noch nicht in ihre ungeweihten Gräber zurückgekehrt sind, wenn es dämmert.« Sie schüttelte die Schultern und hoffte, das schwindende Licht würde den Räuber daran hindern zu erkennen, dass jede Geste und jedes Wort gespielt waren.
    »Lady Avisa?«, hörte sie Baldwin verwirrt fragen.
    Alles, was sie sagte, deutete darauf hin, dass sie rat- und hilflos war.
    »Ach, lieber Baldwin! Was würde ich ohne dich anfangen?« Sie legte den Arm um ihn und drückte ihr Gesicht an seine Schulter, wobei sie darauf achtete, sich nicht zu viel zu bewegen und den Griff von Christians Schwert nicht zu entblößen.
    Der Junge stand so reglos da wie ein Baum. »Mylady?«
    »Tu so, als würdest du mich trösten«, flüsterte sie ihm zu. »Du sollst als mein Begleiter gelten.«
    Lange sagte er kein Wort, so dass sie sich fragte, ob er sie gehört hatte. Vielleicht war er zu jung und zu erschrocken, um zu verstehen, was sie hier zu tun versuchte.
    Sie atmete fast unhörbar auf, als er sagte: »Ihr wisst, dass ich für Euch sterben würde, Mylady.«
    »Das sollte nicht nötig sein«, grollte der Räuber. »Ihr müsst nur die Anweisungen befolgen, die ich Euch gab.«
    Avisa schob Baldwin von sich und fiel auf die Knie. Nun bedeckte ihr Kleid den Schwertgriff zur Gänze. Die gefalteten Hände erhebend, flehte sie: »Lasst sie mich zu einer Zeit befolgen, wenn die Sonne die Schatten der Untoten aus dem Wald vertreibt. Ich flehe Euch an, edler Herr, erfüllt meine Bitte.«
    »Von mir hängt es nicht ab.«
    »Dann beschwöre ich Euch, Euren Herrn zu fragen.« Wieder drückte sie ihre Hände ans Gesicht und zwang ihre steifen Schultern zu einem Beben. Geduckt vor ihm kauernd, gab sie Geräusche von sich, die wie Schluckauf klangen, aber als Schluchzen durchgehen mochten. »Ich kann nicht in den Wald, wenn die Dämmerung die umherirrenden Geister befreit.«
    »Der Junge …«
    »Er ist verletzt.«
    »Ich sehe keine Wunden.«
    »Sein Kopf wurde bei Eurem ersten Angriff stark getroffen. Er spricht mit der schweren Zunge eines Betrunkenen.« Wieder lugte sie zwischen den Fingern hervor, um zu sehen, ob der Kerl wie erwartet reagierte. »Ich möchte Christian Lovells Freiheit erwirken. Ich möchte es wirklich, doch ich kann es nicht, wenn mich die Untoten entführen.«
    »Mylady …«
    »Bitte!«, rief sie aus.
    Der Mann ließ ein ungehaltenes Brummen hören, und Avisa wagte zu hoffen, dass er, der Debatte überdrüssig, nachgeben würde. Als er etwas murmelte, blickte sie auf.
    »Wartet hier. Ich komme wieder«, sagte er.
    »Danke, edler Herr.« Sie erwog, sich ihm zu Füßen zu werfen, doch sie wollte nicht übertreiben. Sie wünschte, sie hätte gewusst, was eine Lady in einer solchen Situation tat. Dass die meisten Damen gar nicht in eine solche Situation geraten würden, war keine Hilfe.
    Avisa wartete, bis der Mann zwischen den Bäumen verschwunden war. Langsam erhob sie sich. Sie wollte sicher sein, dass er nicht außer Sicht auf der Lauer lag, um zu sehen, ob sie erkennen ließ, dass sie ihn zum Narren hielt. So beklagte sie laut die unglückliche Wendung des Schicksals, die sie auf diese Lichtung geführt hatte, beklagte Christians Los und jammerte, dass sie sich fürchte, den Wald in der Dämmerung zu betreten. Sie hielt erst inne, als Baldwin ihr anzeigte, dass der Mann fort war.
    Sie schenkte ihm ein Lächeln. »Du hast dich wacker gehalten, Baldwin.«
    »Er

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