Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition)
kommt vielleicht nicht wieder.«
»Er wird kommen.« Sie griff nach Christians Schwert. Ihren Fuß gegen die Schultern des Leichnams stemmend, zerrte sie die Klinge unter dem Toten hervor. Das Blut, das unter dem Leichnam eine Pfütze bildete, lief die Klinge entlang und tropfte auf den Boden. Sie kniete nieder und rieb die Waffe mit dem Laub trocken. Als sie aufstand und das Schwert hob, das länger als ihres war, jedoch so gut gewichtet, dass sie es leicht schwingen konnte, sah sie Baldwin an.
Der Blick des Jungen hing an Christians Schwert. Er tastete nach seinem eigenen. Er zog es und berührte mit der Spitze die Klinge,
»Ich schwöre, dass ich mich dem Tod nicht ergeben werde, bis meine Vettern wieder frei sind«, sagte er mit einer Würde, die einem viel Älteren angestanden hätte.
»Das ist ein Schwur, den einzulösen ich dir helfen werde.« Sie steckte das Schwert in den Gürtel hinter ihr eigenes und schlang das Leder um den Griff, um ihn zu befestigen, als ein eisiger Wind über die Lichtung wirbelte. War die Temperatur gefallen, oder kam die Kälte aus dem Inneren ihres Herzens?
Eine Stunde und noch eine vergingen, und noch immer warteten sie. Avisa wagte es nicht, ihren Standort zu verlassen, weil alles, was sie tat, den Räubern den benötigten Grund liefern könnte, Christian zu töten. Die Sonne senkte sich auf die fernen Hügel zu. Über der Lichtung hingen die Gerüche des Todes.
Untätigkeit war ihr zuwider. Warum hatte sie den Räuber allein gehen lassen? Hätte sie mit weiteren gespielten Weinkrämpfen darauf gedrungen, hätte er sich vielleicht erweichen lassen, sie mitzunehmen, und sie hätte sehen können, wie es Christian und seinem Bruder ergangen war. Es wäre ihr sogar geglückt, deren Freilassung zu erwirken. Jetzt konnte sie nichts tun, als in die Finsternis spähen und hoffen, der Räuber würde aus den Schatten zwischen den Bäumen hervortreten.
»Haltet Ihr nach mir Ausschau, Mylady?«
Auf diese höhnischen Worte hin fuhr sie herum. Endlich war der Mann gekommen. Nicht allein, sondern mit zwei Begleitern. Sie unterdrückte den Instinkt, nach ihrem Schwert zu greifen. Man sollte sie für eine hilflose, unglückliche Frau halten.
»Ihr seid wieder da!«, rief sie und hoffte, dass sie die erwartete Reaktion zeigte. Sie hielt ihre Arme vor sich verschränkt, je eine Hand beidseits ihres Mantels, den sie über den zwei Schwertern geschlossen hielt.
»Unser Anführer ist gütigst mit Eurer Zeit des Treffpunkts einverstanden, Mylady.« Er neigte den Kopf und richtete sich wieder auf. Sein Lächeln war eisig wie der Wind. »Aber Ihr müsst auf seine Bedingungen eingehen.«
»Nennt sie mir, und ich werde sehen …«
»Mit einer Frau wird er nicht verhandeln.«
»Der Junge kann diese Aufgabe nicht übernehmen. Seine Kopfverletzung ist zu ernst.« Sie sah den Pagen an, und Baldwin richtete den Blick zu Boden. Um ihre Lüge zu bestätigen oder um seine Enttäuschung zu verbergen?
»Das ist auch unsere Meinung. Deshalb biete ich Euch einen Fürsprecher an, Mylady.« Der Räuber warf den Kopf zurück und ließ ein Lachen hören, das zwischen den Bäumen widerhallte.
»Einen Fürsprecher?« Ihr Herz hüpfte in ihrer Brust. Wollte er Christian freilassen? Was dies zu bedeuten hatte, war ihr nicht klar, doch sofort regte sich Hoffnung in ihr wie die ersten Töne einer fröhlichen Weise. »Wen?«
»Seht selbst.« Er zeigte hinter sie. »Kehrt zur Straße zurück, wo Euer Fürsprecher wartet.«
»Und dann?«
»Dann werdet Ihr jemanden haben, der mit Pyt verhandelt.«
»Mit wem?«
Seine Belustigung war wie weggeblasen, und sie wusste, dass er den Namen nicht aussprechen wollte. Seine Hände zitterten, als er seine Begleiter ansah. Bangte er um sein Leben, weil er den Namen ihres Anführers genannt hatte?
»Geht zur Straße und holt Euren Fürsprecher ab«, kläffte er. »Reitet ostwärts zu einer Furt im Fluss und wartet dann in einer Schänke am anderen Ufer auf weitere Anweisungen.«
Avisa nickte. Es war nutzlos, jetzt auf weitere Informationen zu drängen. Die Angst des Räubers war so groß wie jene, die sie vorgetäuscht hatte. Ein zweiter Blick zu Baldwin brachte den Jungen zum Schweigen, ehe er zum Sprechen ansetzen konnte.
Sie trat einen Schritt zurück und fasste nach Baldwins Arm. Ein leises Zupfen verriet ihm, dass er sich ihrem Schritt anpassen sollte, als sie sich rücklings entfernten. Der Mann rührte sich nicht, auch sein Lächeln kehrte nicht wieder, als sie die
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