Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition)
Lichtung verließen.
»Glaubt Ihr, was er sagte?«, fragte Baldwin so leise, dass sie es kaum vernehmen konnte.
»Er hat keinen Grund, uns zu belügen.«
»Aber er ist ein Wegelagerer, Mylady!«
»Ein Wegelagerer, der das Lösegeld, wie hoch auch immer, mit seinen Gefährten teilen möchte.«
»Warum wollte er nicht sagen, was er verlangt?«
»Weil er hofft, dass wir aus Freude, Christian wiederzusehen, auf alle seine Forderungen eingehen werden.«
Baldwins aufmerksamer Blick glitt über die Büsche. »Wie werden wir das Lösegeld aufbringen?«
»Eins nach dem anderen.« Sie lächelte und legte ihre Hand auf seine Schulter. »Erst wollen wir den Fürsprecher finden, den er uns verhieß.«
Baldwin fügte sich. Sie fragte sich, ob ihre Augen auch so hoffnungsvoll leuchteten wie seine. Stellte auch er sich vor, wie sie Christian lebendig und wohlbehalten an der Straße antreffen würden?
Als sie auf die Straße hinaustraten, blickte Avisa nach beiden Richtungen. Auf der linken Seite sah sie jemanden dasitzen, den Kopf in Händen. Ehe sie einen Schritt tun konnte, lief Baldwin zu ihm.
»Guy!«, rief er aus. »Mylady, es ist Sir Guy!«
Avisa verschluckte ihre Verzweiflung, als ihre Hoffnung zunichtewurde, und ging auf Guy zu. Es war nicht ausgeschlossen, dass die Räuber sie jetzt beobachteten und nur darauf warteten, sie in eine Falle tappen zu lassen. Ehe sie nicht an einem sicheren Ort war und nicht Gefahr lief, belauscht zu werden, musste sie weiterhin die verängstigte Dame spielen.
Als sie näher kam, stand Guy langsam auf. Er sah grässlich aus. Sein Haar fiel ihm in die Stirn und klebte am Blut einer Platzwunde. Einer seiner Ärmel hing nur an ein paar Fäden an seinem Gewand. Blaue Flecken verdunkelten sein Gesicht, aus einem Mundwinkel floss Blut. Vermutlich hatten ihm die Strolche zum Abschied noch einen Hieb versetzt.
Sie zog ihren Umhang aus und reichte ihm diesen. Guy entriss ihn ihr und wickelte den dicken Wollstoff um seine Schultern.
Baldwin versuchte seinen Unwillen zu verbergen. »Wollt Ihr mein Cape, Mylady? Ihr werdet frieren.«
»Was machst du dir Sorgen um sie?« Guy hüllte sich noch tiefer in den Umhang, als befürchte er, sie würde ihn zurückfordern. »Wie wär’s mit etwas Sorge um mich? Diesen verdammten Schurken verdanke ich eine Beule am Kopf.«
»Aber sie haben Euch freigelassen.« Sie überflog mit raschem Blick das Strauchwerk unter den Bäumen. »Warum?«
»Wie zum Teufel soll ich wissen, was in diesen Idioten vorgeht?« Er zuckte zusammen.
»Seid Ihr schlimm verletzt?«
Er grinste und ergriff ihre Hand, die er an seine Wange zog, um die Handfläche an die eiskalte Haut zu drücken. Mit dem anderen Arm umschlang er ihre Taille und zog sie enger an sich. »Warum küsst Ihr mich nicht und macht damit alles besser, holde Avisa?«
»Nichts vermag diese Situation zu verbessern.«
»Ich könnte mir ein paar Dinge denken.« Als sie Anstalten machte, sich loszumachen, festigte er seinen Griff und ignorierte ihre Aufforderung, sie freizulassen. Seine Finger glitten ihren Rücken hinauf und griffen in ihr loses Haar. Sie riss die Augen auf, als sein Mund sich auf ihren senkte. Nun entwand sie sich seinen Armen und zwinkerte ihre Tränen fort. Sie wollte, dass Christian sie küsste und nicht sein Bruder. Sie wollte, dass Christian in Sicherheit war.
Wieder wollte Guy nach ihr greifen. Ihre Reaktion kam instinktiv. Sie packte sein Handgelenk und verdrehte ihm den Arm nach hinten. Er schrie auf, und sie lockerte den Griff, den Nariko sie gelehrt hatte.
»Wo habt Ihr das gelernt?«, fragte Guy, und Baldwin trat mit großen Augen näher.
»Warum stellt Ihr Fragen?«, schoss sie zurück. »Das Einzige, was zählt, ist Christians Befreiung. Wir sollen an eine Furt gehen und weiter in eine Schänke am anderen Ufer. Dort erfahren wir, was wir wissen müssen, um Christian loszukaufen. Wisst Ihr, was die Räuber wollen?«
Er zog die Schultern hoch, wich aber ihrem Blick aus. Was hatte er zu verbergen? Sie würde es herausfinden, wenn sie die Schänke erreichten. Und dann würden sie Christian retten. Sie hatte auf Leben und Ehre geschworen, für seine Sicherheit zu sorgen. Und sie würde es tun.
In der Schänke mit der niedrigen Decke herrschte drangvolle Enge. Spinnen und andere Lebewesen, die im Deckengebälk hausten, ließen Schmutz auf den Steinboden und den wackligen Tisch rieseln. Eine einzige Bank stand neben dem Tisch, die Feuerstelle an der Hinterwand war kalt.
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