Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition)
sie sah, wie ihre Finger zitterten, zog sie sie zurück. »Baldwin wird nie wieder den Fehler begehen, seinen Arm angesichts eines Gegners zu senken.«
»Er ist noch nicht so kampferprobt, um es mit einem erfahreneren Gegner aufzunehmen. Du hättest ihn nicht ermutigen sollen.«
»Das tat ich nicht. Er hatte Befehl, mich zu bewachen. Einen Befehl, der von dir kam.«
»Du hättest darauf bestehen sollen, dass er im Hintergrund bleibt.«
»Und was dann? Er wäre uns nachgeschlichen.«
Er drehte sich zu ihr um. »Er ist noch ein halbes Kind. Er hätte getötet werden können.«
»Er hat überlebt, und er kämpfte wacker. Auf die Gefahr hin, wieder deinen Zorn zu erregen, möchte ich dir in Erinnerung rufen, dass das Blut der Lovells in seinen Adern fließt.«
»Das kann ich nicht vergessen, ebenso wenig wie die Tatsache, dass heute unser Blut vergossen wurde.«
»Das solltest du nie vergessen.«
Sie sah, dass ihre Worte ihn überraschten, da er ihr einen nachdenklichen Blick zuwarf, ehe er langsam zu dem Tisch ging, auf dem die Flasche wartete. Sie betrat indessen das Nebenzimmer, um nach Baldwin zu sehen und ihm die Decke bis ans Kinn hochzuziehen. Er murmelte etwas im Schlaf, und sie lächelte. Jeder Laut, den er von sich gab, war ein Lebenszeichen.
Als sie wieder das mittlere Gemach betrat, schenkte Christian bernsteingelben Wein in zwei Pokale ein. Einen bot er ihr an. Sie nahm ihn und führte ihn an die Lippen. Der Wein wärmte zwar ihren Mund, vermochte aber nicht den Klumpen eisiger Furcht um ihr Herz zu schmelzen. Sie stellte den Pokal auf den Tisch.
»Trink, Avisa«, forderte Christian sie auf und reichte ihr den Pokal wieder. »Gewürzter Bastarde wirkt beruhigend.«
Sie kannte den spanischen Wein, der in vornehmen Häusern gern aufgetragen wurde. »Ja, ich brauche etwas Beruhigendes«, sagte sie.
»Was bekümmert dich?« Er bedachte sie mit einem schiefen Lächeln. »Von Baldwins Wunden und den Vorfällen der letzten Tage abgesehen?«
»Das reicht doch.«
Er schüttelte den Kopf. »Dir nicht, Avisa. Guy schilderte mir, wie die Blicke aller auf dich gerichtet waren, als du in der Schänke dein Schwert hoch über den Kopf schwangst.«
»Dein Bruder übertreibt gern.«
»Diesmal nicht. Du hast diese Bauern überredet, dir zu folgen, was ihren Tod hätte bedeuten können.«
»In ihren Tod wollte ich sie nicht führen.« Sie stellte ihren Pokal ab, als ihr dumpfer Kopfschmerz intensiver wurde. »Wenn ich sie anspornen konnte, sich durch Pyts Terror nicht in die Knie zwingen zu lassen, soll es mich freuen.«
»Du warst stark wie eine Eiche, bis wir auf de Sommevilles Burg eintrafen. Seither benimmst du dich wie eine Übeltäterin vor dem Strafprozess. Du lugst in jede Ecke und zuckst bei jedem Geräusch zusammen.«
»Mir fehlt nichts.« Sie griff nach der Flasche und füllte ihr Glas nach. Sie trank tief, hielt aber inne, als sie merkte, dass der Wein das Zittern ihrer Hände zu verstärken schien. Hätten sie so gebebt, als sie Pyt und seiner Bande gegenüberstand, sie hätte keinen einzigen Mann abwehren können.
»Lüg mich nicht an, Avisa.« Er nahm ihr Glas und stellte es neben seines auf den Tisch. Er ergriff ihre Hand und flüsterte: »Du zitterst, als wärest du zu einem Blatt dieser starken Eiche geworden. Was beunruhigt dich jetzt, da du dich freuen solltest, wohlbehalten auf de Sommevilles Sitz angelangt zu sein?«
»Ich muss dem ins Auge sehen, was ich noch verlieren könnte«, gab sie ebenso leise zurück.
»Du weißt, dass ich gelobte, dir bei der Rettung deiner Schwester beizustehen. Ich werde mein Versprechen halten.« Er führte ihre Hand an seine vom Wein feuchten Lippen.
Ein heißer Schauer durchlief sie, als seine Zunge über ihre Haut kreiste, und ihre Finger umklammerten seine fest. Voller Angst, von der mächtigen Leidenschaft mitgerissen zu werden, die in ihr wie ein anschwellender Fluss toste, lehnte sie sich voller Verlangen nach seiner Berührung an ihn.
Sein zärtliches Lächeln war Ausdruck der Sehnsucht, die sich zu unbeherrschbarem Verlangen steigerte. Wohl wissend, dass es Wahnsinn war, ersehnte sie seinen Kuss, fordernd, glühend, eine Lust spendend, die mehr sein sollte als nur ein Traum. Ihr Atem brannte in ihrer Kehle, während ihr Herz so laut schlug, dass sie sicher war, er könne es hören.
»Avisa …« Sein Atem war so abgerissen wie ihrer. »Müsstest du nicht über Baldwin wachen, wollte ich, dass du mich heilst.«
»Deine Wunden …«
»…
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