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Die Lady mit der Feder - Roman

Die Lady mit der Feder - Roman

Titel: Die Lady mit der Feder - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyn Kelley Anke Koerten
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das Bett traf, stoben aromatisch riechende Kräuter in alle Richtungen.
    Er drehte sich um und wollte davonlaufen. Da ergriff sie die über dem Stuhl hängende Peitsche und traf mit lautem Knall den Mann am rechten Arm. Er schrie vor Schmerz auf, das Messer fiel zu Boden und sprang davon, in die Finsternis.
    Entsetzen raubte dem Mann den letzten Rest Gesichtsfarbe. Hastig zog er ein Fläschchen aus seinem Schwertgürtel, entkorkte es und leerte es in einem Zug. Mit dem Ruf »Semper minax, nunquam submissus!« wollte er zur Tür, kehrte um, als er den Weg durch die anderen blockiert sah, und erklomm flink das Fensterbrett. Er stieß die Läden weit auf und beugte sich hinaus.
    »Nicht!«, rief sie, doch war der Mann schon verschwunden.
    Die Dienerin stieß abermals einen Schrei aus und fiel mit dumpfem Aufprall zu Boden.
    Isabella stürzte ans Fenster und sah hinaus. Auf dem Steilabfall des Burghügels lag im schwachen Licht leblos eine dunkle Gestalt.

    Jordan rief Lew zu, Wachen sollten den Mann festnehmen.
    »Zu spät«, flüsterte sie und umklammerte den Rand des Fensters. »Semper minax, nunquam submissus. Immer fordernd, niemals bescheiden. So wie auf dem Wappen des Messergriffs.«
    Seine Tollkühnheit hatte dem Mann nur den Tod gebracht. Wäre er am Leben und unversehrt, hätte er fliehen können. Selbst wenn jetzt noch Atem in ihm war, war sein Körper so zerschmettert, dass er das Tageslicht nicht mehr erleben würde. Morgen würde man zwei Tote auf dem Kirchhof bestatten. Ob jemand den Mann betrauern würde, der lieber tot war, als seinen Verfolgern in die Hände zu fallen?
    Tränen stiegen tief aus ihrem Inneren auf, von dort, wo Kummer ihre Seele aufgerissen und eine kaum verheilte Wunde zurückgelassen hatte. Kummer darüber, dass alles und alle, die sie geliebt hatte, ihr in einem einzigen Augenblick genommen wurden, Vater, Mutter, Heimat. Dieser verzehrende Verlust kam ihr wieder zu Bewusstsein und überflutete sie unaufhaltsam und unbeherrschbar mit tiefem Kummer. Sie stellte sich vor, wie jemand vergeblich auf die Rückkehr dieses Mannes wartete und nie erfahren würde, warum er nicht kam.
    Als Jordans Arm sie vom Fenster wegdrehte und sie an sich zog, legte sie ihr Gesicht an seine Schulter und weinte um den Toten, um diejenigen, die ihn liebten, und um den Schmerz, den sie noch immer nicht vergessen konnte.

9
    J ordan wusste, dass er mit Kopfschmerzen aufgewacht wäre... wenn er Schlaf gefunden hätte. Als er die ausgetretenen Stufen zum Torhaus hinunterging, die den Hauptturm mit dem unteren Hof verbanden, hämmerten zu viele Fragen in seinem Schädel, von denen jede einzelne seine Aufmerksamkeit forderte. Er hatte versucht, sie mit einer und dann noch einer und einer dritten Flasche Wein zum Schweigen zu bringen. Nichts hatte die Verdammungsurteile ersticken können, die sein eigenes Gewissen wie eine Reihe geübter Bogenschützen auf ihn abfeuerte.
    Isabella war Gast auf La Tour, und er hatte es kaum geschafft, sich zu beherrschen. Dass sie sich in seinem Gemach befunden hatte, von ihm nur durch eine Stoffschicht getrennt, war keine Entschuldigung, sich so zu benehmen, als sei sie eine Soldatendirne. Als Dienerin der Königin gebührte ihr die Achtung, die er den Männern des Königs zollte.
    Und sie kämpfte mit der Geschicklichkeit eines Kämpfers des Königs. Während der langen Nachtstunden, als er versucht hatte, dieses Bild zu verdrängen, hatte er immer wieder vor sich gesehen, wie sie den Dieb nicht einmal, sondern zweimal vor seinen Augen bezwungen hatte.
    Jordan le Courtenay - ein Earl, dem König durch einen Gefolgschaftseid verpflichtet und bereit, nötigenfalls für ihn sein Leben zu lassen - hatte zugelassen, dass eine Frau - sein Gast - einen Eindringling selbst abwehrte. Wurde ruchbar, wie der Kampf in seinem Schlafgemach verlaufen war, war er dem allgemeinen Gespött preisgegeben! Aber es würde niemand
davon erfahren, weil Lew den Mund halten und dafür sorgen würde, dass auch die Dienerin das Vorkommnis für sich behielt. Und was Isabella betraf, stand zu vermuten, dass die Rolle der Heldin für sie nicht weiter ungewöhnlich war.
    Er stieß eine leise Verwünschung aus. Sie war eine Heldin, die sich selbst und wer weiß wie viele andere gerettet hatte, falls der Eindringling noch andere Beute gesucht hätte. Warum hatte dieses Ungeheuer den Dolch aus Ryces Grab haben wollen? Wenn die Bruderschaft die Klinge in ihren Besitz bringen wollte, hätte sie nur danach fragen

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