Die Lady mit der Feder - Roman
als sie ihm vorschlug, die aus zerstampften Mohnkapseln hergestellte Arznei zu versuchen. An seinem Traum, von dem er geschworen hatte, er wäre Wirklichkeit, war sie unschuldig.
Als er eine Braue hochzog, umspielte die Andeutung eines Lächelns seine Lippen. Nie war ihr ein Anblick willkommener gewesen. Während sie nur das Nötigste gesprochen hatten, musste sie entdecken, wie sehr ihr sein seltenes Lachen und seine spontanen Bemerkungen fehlten.
»Also gut«, sagte sie. »Ich mag ja Zweifel gehabt haben, doch ist das nur menschlich.«
Ehe er darauf antworten konnte, stöhnte Lady Odette Mitleid erregend wie schon die vergangenen Stunden. Als sie den Hügel erklommen, klammerte sie sich an ihren Sattel und stöhnte bei jedem Schritt, den das Pferd machte. Die Lady wollte nichts sagen, als ihr Bruder sie fragte, was ihr zu schaffen mache.
Isabella brauchte nicht zu fragen. Sie erkannte die Symptome, an denen viele Frauen während ihrer Menstruation litten. Die Dame war bleich und hielt ihre Hand immer wieder auf den Unterleib.
Sie drängte ihr Pferd näher an Lady Odettes Reittier und nahm die Zügel, die lose in der Hand der Dame lagen. Scheute
der Wallach vor einem Karren oder den Rufen der Händler, konnte Lady Odette verletzt werden.
Leise sagte Isabella: »Ich habe Petersilie dabei, Mylady. Ich werde daraus etwas zubereiten, das Euren Schmerz lindert.«
Die einzige Reaktion der Dame war ein neuerliches Stöhnen.
»Wir sind fast angelangt«, rief Lord Weirton zurück. »Das Haus mit der grünen Tür.«
»Wir sind fast angelangt«, wiederholte Isabella, als Lady Odette sich im Sattel vornüberbeugte.
Eine Hand legte sich auf ihren Arm, süße Glut des Begehrens loderte auf. Sie sah nach rechts, um festzustellen, was Jordan wollte. Mit einem raschen Lächeln gab sie ihm zu verstehen, er solle Lord Weirton nachreiten, da ihre drei Pferde die ganze Breite der Straße einnahmen, die immer schmäler wurde, je näher man der Kathedrale kam.
Er nickte und ritt vor ihr und Lady Odette. Als Lord Weirton links abbog, blickte Jordan zurück, um sich zu vergewissern, dass sie es gesehen hatte. Wieder bedeutete sie ihm, er solle voranreiten.
Ein schmales Tor verband das Haus mit der grünen Tür mit dem Nachbarhaus. Ein Haus auf dem Hügel darüber war ein Steinbau, alle übrigen waren aus verwittertem Holz, ein Zeichen, dass diese Straße viele Jahre lang von Bränden verschont geblieben war.
Der Hof hinter dem Haus war beengt. Ein kleiner Stall hinter dem runden Brunnen bot nicht genügend Platz für ihre Pferde. Sie fragte sich, wo sie Sättel und Zaumzeuge sowie Pferdefutter unterbringen sollten, doch war das nicht ihre Sache. Sie musste sich um Lady Odette kümmern und dann
in der Kathedale mit der Suche nach der Metallkassette und den Papieren beginnen.
Lord Weirton saß ab. »Es steht Euch frei, in diesem Haus für die Dauer Eures Aufenthaltes in Lincoln Quartier zu nehmen.«
Jordan schwang sich trotz der langen Stunden im Sattel behände vom Pferd. »Ich wusste nicht, dass Ihr so weit von Kenwick Castle ein Haus besitzt.«
»Es gehört einem Freund. Conrad d’sAlpin.«
»Bruder Conrad?«, fragte Emery, als er aus dem Sattel sprang.
»Bruder?«, fragte Jordan. »Wie in der Bruderschaft?«
Der Knappe trat nervös von einem Fuß auf den anderen und blickte zu Boden. »Ich hätte nicht wiederholen sollen, was andere Knappen munkelten, Mylord. Verzeiht mir.«
Lord Weirtons Lachen durchbrach die Anspannung. »Der junge Mann ist müde. Seinem Mund entströmen Dummheiten.«
»Hat d’sAlpin etwas mit der Bruderschaft zu tun?«, fragte Jordan.
»Warum fragt Ihr mich? Ich höre nicht auf Gerüchte, die von Schildknappen verbreitet werden.« Der Baron breitete die Hände aus. »D’sAlpin ist ein guter Mann, der uns sein Haus zur Verfügung stellt. Wiederholt man Klatsch, wird seine Güte geschmälert.«
Isabella sah, wie Emery sich verdrückte, ihr Pferd und seines am Zügel. Der Ärmste wünschte sich jetzt gewiss, er hätte seinen Mund nicht aufgemacht. Wie viel wusste der Schildknappe wirklich über die Bruderschaft? Als sie sah, dass Jordan Emery nicht aus den Augen ließ, konnte sie sich denken,
dass er ebenso neugierig war wie sie. Eine Tür an der rückwärtigen Front des Hauses wurde geöffnet, ein Mann spähte heraus. Klein und dünn, trug er eine braune Tunika, die ihm bis zu den Spitzen seiner abgetretenen Schuhe reichte. Sein helles Haar fiel ihm in die Augen, so dass er aussah, als sei er
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