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Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)

Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)

Titel: Die Lady von Milkweed Manor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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Pflanze ist, von der sich seine Larven ernähren können.«
    Lucy sah ihn verständnislos an.
    »Die Monarchfalter sind eigentlich in England nicht zu Hause. Doch ab und zu – einmal alle zehn Jahre oder so – wird einer gesichtet. Wahrscheinlich werden sie von einem starken Wind hierher getragen.«
    »Von woher?«
    »Von den kanarischen Inseln oder sogar aus Amerika, wo sie so verbreitet sind wie Fliegen.«
    »Von so weit her?«
    »Ja. Aber sieh mal – das ist wirklich erstaunlich.« Er hob ein weiteres Blatt an und legte eine wunderschöne jadegrüne Hülse frei. »Ich glaube, dass ist eine Monarch-Puppe. Hier in meinem Garten. Ein Monarchfalter muss lange genug hier gewesen sein, um seine Eier in meine Seidenblumen zu legen. Die Raupen schlüpften und fraßen die bitteren Pflanzen, um zu wachsen, aber auch zum Schutz vor denen, die sonst sie gefressen hätten. Und dann versteckten sie sich.«
    »In einem Kokon, richtig?«
    »Ja, das ist die korrekte Bezeichnung.«
    »Wächst da wirklich etwas drin?«
    »Oh ja. So ein Kokon wirkt vielleicht leblos oder wie ein Gefängnis, aber das bleibt nur eine Zeit lang so. Drinnen wächst der Schmetterling heran und verändert sich, bis er kräftig genug ist, in der Welt zu leben und auf dem Wind zu reiten.«
    Auf einer Nachbarpflanze landete plötzlich ein herrlicher, schwarz und orange leuchtender Schmetterling. Lucy hielt den Atem an vor lauter Entzücken.
    »Ist das ein Monarchfalter?«
    »Ja«, sagte Daniel, genauso hingerissen wie sie. Er sah zu, wie der Falter sich in die Luft erhob. Beide schauten ihm nach. Über dem Kopf des Mädchens erblickte Daniel in einiger Entfernung Charlotte, die ehemalige Miss Lamb. Sie kam von Fawnwell, wo sie wahrscheinlich einen Besuch gemacht hatte. Während er sie beobachtete, sagte er nachdenklich: »Wie schön sie ist, wenn sie so plötzlich auftaucht.«
    Den Blick noch auf den Schmetterling gerichtet, fragte Lucy: »Woher weißt du, dass es ein Mädchen ist?«
    Daniel zuckte die Achseln, er ließ sich nicht ablenken. »Sie ist eine Kämpfernatur. Stark und schön. Ein wiedergeborenes Geschöpf.«
    Offenbar hatte jemand Charlotte angerufen, denn sie blieb stehen und hob die Hand zum Gruß. Der achtzehnjährige Edmund Harris kam die Straße entlanggelaufen und lächelte, als er Charlotte eingeholt hatte.
    Selbst aus der Entfernung sah Daniel, wie Charlotte ihren Sohn anblickte, er sah, wie sehr sie sich darüber freute, dass sie nun doch noch mit ihm zusammen sein konnte, und er meinte, seine Brust müsse zerspringen vor Dankbarkeit und dem Schmerz, den er gleichzeitig empfand.
    Daniel war glücklich für seine Frau. Er war wirklich glücklich. Doch in dieses Glück mischte sich stets wie ein leiser Stachel das Bewusstsein darüber, was Charlotte alles für ihn geopfert hatte. Wie hatte sie das geschafft? Und warum?
    Er wusste einerseits, warum, aber manchmal konnte er es trotz allem kaum fassen.

    Auch Charlotte dachte an jenen weit zurückliegenden Tag, an dem Charles Harris ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte. Wie hatte sie damals nur die Kraft aufgebracht, das, was sie sich so sehr ersehnt hatte, abzulehnen?
    Sie erinnerte sich noch an Mr Harris' ernstes Gesicht, als er auf ihre Antwort wartete. Sie erinnerte sich an die Überraschung, die sie empfunden hatte, als sie feststellte, dass ihre mädchenhafte Verliebtheit ihm gegenüber verschwunden war. Zu gut hatte sie seine Schwächen kennengelernt, zu sehr war sie sich seines früheren, wenn auch bitter bereuten, Verrats bewusst. Dennoch dachte sie daran, Mr Harris' Antrag anzunehmen, aber nicht um ihrer selbst, sondern um Edmunds willen.
    Als Daniel damals den ganzen Tag nicht nach Hause kam, wurde Charlotte klar, dass er überzeugt war, sie habe Charles Harris' Antrag angenommen. Nachdem sie Anne zu Bett gebracht hatte, setzte sie sich ins Wohnzimmer und wartete auf ihn. Um neun Uhr ging endlich unten die Tür und sie hörte Schritte auf der Treppe. Sie stand auf und ging zur Wohnzimmertür.
    Doch es war nur John Taylor. »Oh, hallo, meine Liebe.«
    »Sie haben aber lange gearbeitet.« Sie zwang sich zu einem Lächeln. »War Daniel auch da?«
    »Ja. Er hat sich in seinem Behandlungszimmer eingeschlossen.«
    »Wissen Sie, ob er die Nacht dort verbringen will?«
    »Nein. Ich weiß es leider nicht.« Er sah aus, als wolle er noch etwas sagen, aber dann schwieg er doch lieber. Über sein müdes Gesicht huschte plötzlich ein kurzes, mitfühlendes Lächeln. »Gute Nacht, meine

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