Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)
Verletzungen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Und seit Ihres … Zustands? Irgendwelche Schmerzen, Schwindel, geschwollene Glieder?«
Sie dachte an ihre Knöchel, die nicht mehr so schlank waren wie vorher. »Nichts Nennenswertes.«
»Wurden Sie bereits von einem anderen Arzt untersucht, bevor Sie hierher kamen?«
»Nur ein Mal.«
»Dr. Webb, nicht wahr?«
Wieder schüttelte sie den Kopf.
»Vater wollte nicht, dass ich einen Arzt an unserem Wohnort aufsuchte. Er war sicher, dass es Gerede geben würde. Ich war bei einem Wundarzt, einem Mr Thompkins, während ich bei meiner Tante in Hertfordshire auf Besuch war.«
»Wie lange ist das her?«
»Drei … fast vier Monate. Er wurde nur geholt, um zu bestätigen, dass ich … nun, dass ich war, was ich bin.«
»Wir untersuchen die Patientinnen, die so weit sind wie Sie, hier einmal wöchentlich.«
»Ich verstehe.«
»Mir fällt auf, dass man Ihnen Ihren Zustand überraschend wenig ansieht.«
»Was bis jetzt ein Segen war.«
»Ja, das verstehe ich. Hatten Sie Schwierigkeiten zu essen oder das Essen bei sich zu behalten?«
»Ich habe keinen großen Appetit, aber ich versuche zu essen.«
»Gut. Jetzt muss ich Sie noch körperlich untersuchen. Zunächst einmal werde ich Sie abhorchen.«
»Wie bitte?«
»Entschuldigung. Ich werde Ihr Herz abhören.«
Er klopfte auf den großen Tisch. »Bitte, setzen Sie sich hier hin.«
Sie tat, was er verlangte, setzte sich so gerade hin, wie sie konnte, und drapierte ihre Röcke um sich. Dabei war sie sich ihrer sich wölbenden Leibesmitte, ihres schlichten Kleides und ihrer Haare, die anfingen, sich aus dem praktischen Knoten zu lösen, wohl bewusst. Plötzlich fiel ihr wieder ein, wie sie als kleines Mädchen durch das Schlüsselloch gespäht und gesehen hatte, wie Dr. Webb sich über ihre Mutter beugte, den Kopf auf ihrer Brust. Charlotte war damals zutiefst schockiert gewesen und hatte die Tür aufgerissen, bereit, die Ehre ihrer Mutter um jeden Preis zu verteidigen.
»Was machen Sie da?«, hatte sie gellend gerufen. Dr. Webb hatte sich rasch aufgerichtet, völlig verblüfft über ihren Ausbruch. Aber ihre Mutter hatte nur sanft gelächelt. »Es ist alles in Ordnung, mein Liebling. Dr. Webb hört nur mein Herz ab, um zu sehen, ob das alte Ding noch funktioniert.«
Begreifen hatte auf dem gütigen Gesicht des Mannes gedämmert und auch er hatte sie freundlich angelächelt. »Komm mal her, Charlotte. Möchtest du auch einmal das Herz deiner Mutter klopfen hören?«
Sie hatte genickt, völlig ernst, und ging zum Bett. Sie setzte sich neben Dr. Webb und legte ihr Ohr auf die Brust ihrer Mutter.
»Ein wenig höher – da. Hörst du es?«
Charlotte hatte die Augen geschlossen und lauschte, und wirklich, ein dumpfes ta-bumm, ta-bumm, ta-bumm . »Ich höre es!«, hatte sie stolz gerufen, in mehr als einer Hinsicht erleichtert.
So angenehm die Erinnerung auch war, als Charlotte sich vorstellte, dass Dr. Taylor seinen Kopf auf ihre Brust pressen würde, bekam sie feuchte Hände.
Er nahm jedoch ein hölzernes Hörrohr aus seinem Koffer, einen Apparat, den Charlotte noch nie gesehen hatte.
»Ein Freund meiner Frau, der ebenfalls Arzt ist, hat das konstruiert. Er arbeitet zurzeit noch an der Verbesserung. Aber es ist schon jetzt überraschend, wie viel besser als mit dem bloßen Ohr man mit diesem einfachen Rohr hören kann.«
Er trat näher, beugte sich über sie und sah in ihr Gesicht. »Außerdem wahrt es einen gewissen Abstand, was den meisten Patientinnen sehr lieb ist.« Er verzog einen Mundwinkel zu einem leicht verlegenen Lächeln, dann machte er sich an seine Aufgabe. Charlotte atmete tief ein und hielt die Luft an. Sie war sich seiner Nähe, der Absurdität der ganzen Situation, sehr bewusst. Hier saß sie, allein mit Daniel Taylor, ohne Anstandsdame, ganz dicht bei ihm – all das wäre in einer anderen Umgebung höchst unschicklich gewesen. Sie spürte, wie das Rohr gegen ihren Brustkorb gedrückt wurde, direkt über ihrer linken Brust, und zuckte unwillkürlich zusammen. Der Apparat war nicht sehr lang, sodass sein Kopf vielleicht fünfzehn Zentimeter von ihr entfernt war. Sie atmete etwas zittrig aus und ganz flach wieder ein. Irgendwie war es schwierig zu atmen.
»Gut. Jetzt werde ich versuchen, auch das Herz des Fötus abzuhorchen. Ist das Kind aktiv?«
»Ja, ziemlich.«
Er drückte das Rohr fest gegen ihren Bauch und lauschte angestrengt. Dann rückte er es ein Stückchen weiter und lauschte wieder. »Da
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