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Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)

Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)

Titel: Die Lady von Milkweed Manor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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liegt nur daran, dass Sie ihn mit den falschen Augen betrachten.«
    »Mit den falschen Augen?«
    »Ja, mit den Augen eines gewöhnlichen englischen Gärtners, der gestutzte Buchsbaumhecken und Lilien und andere liebliche, nutzlose Dinge bewundert.«
    Sie öffnete den Mund, doch er hob die Hand und bedeutete ihr zu schweigen.
    »Lassen Sie mich ausreden. Was wissen Sie über die Seidenblume, Miss Lamb?«
    »Ich las einmal einen Artikel darüber in einer von Mutters Zeitschriften. Darin hieß es, dass die Franzosen sie sogar in ihren Gärten anpflanzen. Aber ich glaube, die meisten Gärtner tun alles, um sie auszurotten.«
    »Sie schauen also hin und sehen ein sich rasch vermehrendes Unkraut – ist das richtig?«
    »Natürlich.«
    »Ich dagegen schaue hin und sehe eine Fülle von Elixieren und natürlichen Heilsubstanzen, die mir bei meiner Arbeit helfen und die Leiden meiner Patienten lindern.«
    »Wirklich?« Charlotte blickte voller Skepsis auf die Seidenblumen.
    »Wirklich. Mit dem Samenflaum kann man Wunden verbinden. Der milchige Saft wirkt wie eine Bandage, die auf die verschiedensten Hautabschürfungen aufgetragen werden kann. Ein Tee aus den Wurzeln wirkt harntreibend, schleimlösend und wohltuend bei einer ganzen Reihe von Krankheiten, darunter Erkrankungen der Atemwege, Gelenkschmerzen und Verdauungsproblemen. Er ist erfrischend und hilft bei Magenleiden, Kopfschmerzen, Gebärmutterkrämpfen, Grippe, typhösem Fieber und Lungenentzündung. Der Saft kann, lokal angewandt, Warzen entfernen.«
    »Haben Sie diese Liste auswendig gelernt?«
    Er lächelte. »Sie sind nicht die Erste, die Kritik an meinem Garten übt.«
    »Das kann ich mir vorstellen.« Sie lächelte ebenfalls.
    »Kommen Sie mit mir, ich möchte Ihnen zeigen, wie die Wurzeln geerntet werden.«
    Sie hatten erst eine einzige Pflanze ausgegraben, Dr. Taylor war noch in der Hocke, um ihr zu zeigen, wo man die Wurzel vom Stängel trennen konnte, als Sally aus der Tür zur Findelkindstation stürzte und wie wild gestikulierte und ihnen winkte.
    »Dr. Taylor, kommen Sie schnell!«
    Charlotte fiel auf, dass er Sally keine Frage stellte. Die Dringlichkeit in ihrer Stimme genügte ihm. Er sprang auf die Füße und rannte zu ihr. Charlotte folgte ihm, wenn auch langsamer, die entwurzelte Pflanze in der Hand.
    Drinnen hörte sie eine Frau schreien und schluchzen. Die alte Mrs Krebs gab mit ihrer ruhigen Stimme Anweisungen.
    »Was ist passiert?«, fragte Charlotte die leichenblasse Sally.
    »Ihr Baby ist gestorben.«
    »Oh nein!«
    Sie gingen auf Zehenspitzen weiter und sahen, wie Mrs Krebs versuchte, eine völlig verzweifelte junge Frau zu trösten, die Charlotte noch nie gesehen hatte.
    »Wer ist das?«
    »Sie ist gestern Abend an die Tür gekommen und hat gefragt, ob sie als Amme arbeiten darf«, berichtete Sally bedrückt. »Aber sowohl Mrs Krebs als auch Mrs Moorling waren an dem Abend nicht da und Gibbs sagte ihr, sie solle am Morgen wiederkommen. Ich dachte noch, dass sie furchtbar verzweifelt aussieht, sie bot sogar an, umsonst zu arbeiten, aber Gibbs wollte nichts weiter hören und schickte sie weg. Heute Morgen nun kam sie wieder und Mrs Krebs hatte Mitleid mit ihr und ließ sie gleich anfangen. Ich half beim Füttern der Babys mit der Flasche, du weißt schon, und beobachtete sie. Ich sah, wie sie von Bettchen zu Bettchen ging und den Babys dabei nicht ins Gesicht, sondern auf die Füße guckte! Mrs Krebs kam und legte ihr ein Baby in den Arm und deutete auf einen Schaukelstuhl und die Arme setzte sich hin und fing an, das Kleine zu stillen und ich sah, wie sie seine Füßchen auswickelte und genau betrachtete. Da fiel es mir ein.«
    »Was fiel dir ein?«
    Dr. Taylor erschien wieder und gab der Frau eine Dosis Laudanum.
    »Heute Morgen musste ich ein Baby waschen, das in der Nacht gestorben war«, fuhr Sally fort. »Aus irgendeinem Grund guckte ich mir die vollkommen gebildeten Händchen und Füßchen der Kleinen an und dabei fiel mir auf, dass sie ein schwarzes Mal an der Ferse hatte. Wahrscheinlich war es Teer. Ihre Mama hatte sie gekennzeichnet, damit sie sie wiederfinden konnte.«
    Charlotte beobachtete, wie Dr. Taylor und Mrs Krebs die Frau, die noch immer von Schluchzern geschüttelt wurde, in eines der kleinen Schlafzimmer am andere Ende des Gangs führten.
    »Ich hätte es ihr nicht sagen sollen, Charlotte. Ich hätte ein bisschen Teer nehmen und die Ferse eines anderen Kindes markieren sollen. Sie hätte es nicht gemerkt und alle beide

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