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Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)

Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)

Titel: Die Lady von Milkweed Manor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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Jahre unter Dr. Webb in Doddington famuliert, bevor er nach Edinburgh gegangen war, um dort sein Medizinstudium abzuschließen. Er hatte diese Zeit in Kent sehr genossen und hegte große Hochachtung für Dr. Webb, der niemals zu müde schien, Patienten zu besuchen, trauernde Familien zu trösten und allen, die sie benötigten, ärztliche und sonstige Hilfe zu gewähren.
    Mrs Lillian Lamb war eine der Patientinnen, die er mit am häufigsten besuchte, obwohl er nur wenig für sie tun konnte – was er allerdings nie aussprach. Mrs Lamb war eine hübsche, heitere Frau, der mehr daran gelegen schien, sie freundlich zu empfangen und es ihnen behaglich zu machen, als über ihre Krankheit zu sprechen. Es war der Reverend Mr Lamb, der auf den regelmäßigen Visiten bestand. Er schien überzeugt zu sein, dass seine Frau »nun, da Sie hier sind, schon bald ihr altes Selbst wiedergewinnen wird«. Daniel hatte seinen unerschütterlichen Optimismus immer bewundert und zugleich gefürchtet.
    Wie er es bei seinen weiblichen Patienten häufig tat, schickte Dr. Webb seinen Famulus aus dem Zimmer, sobald die einleitenden Artigkeiten ausgetauscht waren und die ärztliche Untersuchung begann. Entlassen und für den Augenblick ohne Beschäftigung, schmökerte Daniel dann in den vielen Büchern der Pfarrbibliothek oder spazierte durch das kleine Anwesen oder manchmal auch über die weitläufigen Ländereien des großen Landsitzes, der an den Friedhof grenzte. Fawnwell, so glaubte er, hieß das Gut. Der eher kleine Lamb'sche Garten allerdings gehörte zum Bezauberndsten, was er je gesehen hatte, und er wusste aus den Gesprächen mit Mrs Lamb, dass das Gärtnern ihre liebste Freizeitbeschäftigung war. Ganz offensichtlich teilte ihre jüngste Tochter diese Leidenschaft.
    Bei einer dieser Gelegenheiten winkte Charlotte, die damals vierzehn oder fünfzehn Jahre alt gewesen sein musste, ihm vom Garten her zu. Sie ließ die Schere, die sie in der Hand hatte, in einen Korb fallen und kam auf ihn zugelaufen, die Hand auf den Sonnenhut gedrückt, damit dieser nicht wegflog.
    »Mr Taylor«, rief sie, völlig außer Atem, »da sind Sie ja. Wie geht es meiner Mutter heute?«
    »Besser, glaube ich. Und Ihnen? Sind Sie wohlauf?«
    »Ja, danke, das bin ich.« Charlotte blickte suchend über den Rasen hinter ihm. »Wo ist Dr. Webb?«
    »Er ist noch bei Ihrer Mutter.«
    »Ah ja, ich verstehe.« Doch ihre zusammengezogenen Brauen ließen keinen Zweifel daran, dass sie es nicht verstand. »Warum sind Sie nicht bei ihm?«
    »Dr. Webb ist vermutlich der Ansicht, dass es Ihrer Mutter angenehmer ist, wenn ich bei der Untersuchung nicht anwesend bin.«
    »Ich bin sicher, dass Mutter nichts dergleichen gesagt hat.«
    »Natürlich nicht. Aber er nimmt es vermutlich an. Ich glaube, die Untersuchung ist delikater Natur.«
    »Delikat?«
    Daniel fühlte, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg und verwünschte im Stillen seine Neigung zum Rotwerden.
    »Das Leiden Ihrer Mutter ist … ein weibliches, und ich als Mann …«
    »Dr. Webb ist auch ein Mann.«
    »Ja, aber ich bin jung.«
    »So jung auch wieder nicht. Sein letzter Assistent war sehr viel jünger.«
    »Wie auch immer, ich muss mich Dr. Webbs größerer Erfahrung fügen.«
    »Aber wie sollen Sie Erfahrungen sammeln, wenn Sie durch den Garten meiner Mutter spazieren?«
    »Eine ausgezeichnete Frage, Miss Lamb. Äußerst scharfsinnig.«
    »Ich kann nur hoffen, dass Dr. Webb da ist, wenn ich mal einen Arzt brauche.«
    »Ja, nun …«
    »Verzeihen Sie. Ich wollte Sie nicht kränken.«
    »Natürlich, das weiß ich.«

    Daniel lächelte grimmig in der Erinnerung an diese Episode. Charlotte würde schon bald einen Arzt brauchen und Dr. Webb war nicht in der Nähe. Er stieß die Tür zur Findelkindstation auf und ging hinaus in den Garten, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Charlotte sich bückte und kräftig an einem Seidenblumen-Stängel zog.
    »Vorsichtig, Miss Lamb. Überschätzen Sie sich nicht.«
    »Dr. Taylor, bitte versuchen Sie daran zu denken, mich Miss Smith zu nennen.«
    »Ich versuche es, aber hier sind wir allein, deshalb dachte ich, es sei in Ordnung. Darf ich fragen, was Sie hier machen?«
    »Dieser Garten ist völlig überwuchert von Seidenblumen, wie Sie sehen. Ich begreife, dass die Pflege des Gartens an einem solchen Ort nicht vorrangig ist, aber …«
    »Da liegen Sie völlig falsch, Miss Lamb. Dieser Garten besitzt für mich absolute Priorität.«
    »Davon merkt man aber wenig.«
    »Ahh … das

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