Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)
zerzaust.
»Nur, wenn du mir zuhörst.«
Sie befreite sich aus seinem Griff und trat einen Schritt zurück, versuchte aber nicht mehr wegzulaufen. Ein törichter Teil tief in ihr hoffte immer noch, er würde ihr sagen, dass alles ein Missverständnis war, dass er nicht die Absicht habe, Katherine zu heiraten.
»Ich wusste nicht, dass sie die Heiratsanzeigen so schnell verschicken würde«, fing er an. »Meine Mutter hat ebenfalls eine bekommen und ich bin sofort hierhergeritten. Ich hatte es dir selbst sagen wollen, wollte es erklären …«
Sie sah ihn starr an, ohne ihm zu Hilfe zu kommen.
»Charlotte. Ich weiß, dass du angesichts dessen, was zwischen uns vorgefallen ist, erwartet hättest …« Er strich sich ungeduldig das Haar aus der Stirn. »… ich meine, unter normalen Umständen hätte ich mich anders verhalten.«
»Meinst du in der Nacht selbst oder danach?«, fragte sie spitz.
Er seufzte schwer. »Beides. Ich war dumm und egoistisch in dieser Nacht. Ich hatte einen Brief von der Bank bekommen und war völlig verzweifelt …«
»Ja, ich erinnere mich.«
»Ich hätte mir mehr Mühe geben müssen, dem Ganzen Einhalt zu gebieten.«
»Es war also alles mein Fehler?«
»Natürlich nicht. Ich bin schuld. Ich hätte es besser wissen müssen.«
»Aber dennoch übernimmst du keine Verantwortung.«
Er sah sie scharf an. »Gibt es … irgendetwas, für das ich die Verantwortung übernehmen müsste?«
Mit offenem Mund schüttelte sie den Kopf, fassungslos angesichts der abgrundtiefen Ignoranz dieser Frage. Wusste er denn nicht, dass sie für immer verändert war? Dass ihre Zukunft vor ihr stand wie eine Kerze ohne Docht?
Doch er missverstand ihr Kopfschütteln als die erhoffte Antwort und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. »Gut.«
Gut? »Sag mir nur eines: Warst du bereits mit ihr verlobt?«
Er senkte den Kopf. »Nicht … richtig. Sie hatte früher einmal eine Verbindung vorgeschlagen … eine … Heirat, aber ich hatte sie abgewiesen. Doch dann kam das Feuer … Charlotte, du hast keine Ahnung, was es bedeutet, die Verantwortung für Fawnwell zu tragen. Es hing schon vorher alles am seidenen Faden. Danach … war alles verloren. Der Brief von der Bank war nur die Bestätigung. Ich habe weder die Mittel zur Reparatur noch zum Neuaufbau. Meine Mutter war völlig ahnungslos. Sie nahm an, wir würden das ursprüngliche Gebäude einfach neu, vielleicht sogar schöner, wieder aufbauen. Ich hatte nicht das Herz, ihr die Wahrheit zu sagen. Ich hatte meinem Vater versprochen, dass ich für alles gut sorgen würde …«
»Also wirst du Katherine ihres Geldes wegen heiraten.«
»Es tut mir leid. Ja, das werde ich. Aber ich habe keine andere Wahl.«
Als sie jetzt hier im Heim lag, sein Kind im Arm, dachte Charlotte an ihre Abschiedsworte an ihn: » Dein Haus wurde zerstört … aber ich muss den Preis dafür zahlen .«
14
Wegen der tiefen Wurzeln ist eine Verpflanzung der ausgewachsenen
Pflanze schwierig. Ein Versuch lohnt sich allenfalls bei einem
Ableger der Mutterpflanze …
Jack Sanders, The Secrets of Wildflowers
In seinem Behandlungszimmer im Heim legte Daniel dem Säugling sanft die Hand auf die zarte Brust. Es war wie eine stille Segensgeste. »Es tut mir leid«, sagte er zum Vater des Kindes, »ich kann nichts mehr für ihn tun.«
Harris starrte ihn an, nicht willens oder auch nicht fähig zu begreifen.
»Er ist tot«, sagte Daniel mitfühlend.
»Geben Sie ihn mir«, befahl Harris scharf und einen Augenblick lang fürchtete Daniel, der Mann würde die vergeblichen Versuche, dem kleinen Leib seines Sohnes Leben einzuhauchen, fortsetzen. Er wickelte das Kind fest in eine Decke – eine Spende – und trug es zu Charles Harris hinüber, der beide Hände ausstreckte, um das Bündel in Empfang zu nehmen.
Als das Gewicht des kleinen Körpers in seinen Armen lag, schien es, als sei das Kind für den Mann plötzlich real geworden. Er beugte sich darüber, starrte in das stille Gesichtchen und schrie auf vor Qual – ein erschütternder Schrei, der im ganzen Haus zu hören sein musste. Dann fiel er in einen neben ihm stehenden Stuhl und drückte das Bündel an seine Brust, das Gesicht verzerrt und tränenüberströmt – ein völlig anderer Mensch als der hochmütige Schnösel, mit dem Daniel vor Kurzem noch in Handgreiflichkeiten geraten war. Jetzt fühlte er schmerzlich mit seinem Kummer, seinem schrecklichen Verlust. Er musste unwillkürlich daran denken, wie er selbst wohl reagieren
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