Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)
danken«, intonierte der Priester.
Katherine antwortete: »Ich danke Gott, dass er mein Gebet erhört hat. Die Schlingen des Todes umfingen mich und die Schmerzen der Hölle ergriffen Besitz von mir.«
Unbewusst sprach Charlotte die vertrauten Worte mit. Sie war ergriffen von der unerwarteten Demut in Katherines deutlich vernehmbarer Antwort. Ihre Cousine war, was Religion betraf, stets eine Zynikerin gewesen, doch jetzt wirkte sie aufrichtig.
»Allmächtiger Gott«, fuhr der Priester fort, »der du diese Frau, deine Dienerin, von dem großen Schmerz und der Gefahr der Geburt erlöst hast, gewähre ihr, wir bitten dich, barmherziger Vater, ein Leben im Glauben, treu ihrer Berufung, nach deinem Willen …«
Dieser Teil der Liturgie meinte nicht sie, dachte Charlotte und empfand einen dumpfen Schmerz bei diesem Gedanken. Katherine wurde ermahnt, ihrem Ehemann die Treue zu halten und ihm weitere Erben zu schenken. Charlotte schluckte an der aufquellenden Bitterkeit, die diese Worte in ihr auslösten.
»… und die Teilhabe an der ewigen Herrlichkeit im künftigen Leben durch Jesus Christus, unseren Herrn. Amen.«
Würde Katherine vielleicht wirklich noch weitere Kinder bekommen? Obwohl sie schon älter und die Geburt schwierig gewesen war? Katherine war immerhin in dem Glauben, dass aus dieser Tortur ein gesundes Kind hervorgegangen war … würde Edmund also noch einen Bruder oder eine Schwester bekommen? Oder würde er als Einzelkind aufwachsen?
»Kinder«, fuhr der Priester in der Liturgie fort, »sind ein Geschenk des Herrn, sie sind ein Lohn aus seiner Hand. Glücklich der Mann, der eine ganze Schar hat.«
Nach der Zeremonie blieb Charlotte sitzen und wartete ab, bis Katherines Freundinnen, wieder unter fröhlichem Geschnatter, die Kirche verlassen hatten. Ihre Schritte und ihr Lachen hallten noch lange nach. Katherine war noch geblieben, um dem Geistlichen zu danken, dann wandte auch sie sich um und folgte den anderen. Charlotte blickte Katherine und Edmund, die langsam aus ihrem Blickfeld verschwanden, nach.
Dabei fiel ihr tränenerfüllter Blick auf eine holzgeschnitzte Maria, die das Jesuskind im Arm hielt. Über der Statue hing ein prachtvolles Gemälde, auf dem Jesus beim Letzten Abendmahl zu sehen war. Sie starrte die beiden Abbildungen an, während Katherines Schritte allmählich verklangen. Charlotte fühlte, wie ihre Lippen sich öffneten. Auf ihre Brust legte sich ein Gefühl der Enge. Sie hatte ihr ganzes Leben in einer Kirche ähnlich dieser verbracht, doch erst in diesem Moment wurde ihr die Ungeheuerlichkeit des Opfers bewusst, das Gott den Menschen in seinem Sohn dargebracht hatte. Wie hast du es ertragen können? , flüsterte sie und die Tränen liefen ihr über das Gesicht. Natürlich wusste sie, dass seine und ihre Situation nicht im Mindesten vergleichbar waren. Gott hatte durch sein Opfer unzählige Menschen gerettet, sie nur ein einziges, kostbares Kind.
Ein paar Tage nach der Aussegnung zog Katherine jenes lang vergessene Taschentuch unter dem Duftkissen in der Kommodenschublade hervor. Wie lange hatte es so versteckt dort gelegen? Ein schwerer, leicht modriger Duft nach Flieder hing in dem Gewebe. Es war zusammengefaltet und die Kniffe würden mit Sicherheit nicht mehr herauszubekommen sein. Sie faltete es auf – und da war sie! Die ungewöhnliche Blume, der Samen, die Linie des Blattes, die an ein C erinnerten. C. Ja … das war ein C und jetzt wusste sie es wieder. Das war Charlottes Signatur. Ihre Cousine Charlotte, die Handarbeit von Herzen verabscheute, aber Katherine zu irgendeinem Geburtstags- oder Weihnachtsfest trotzdem ein hübsches Taschentuch gearbeitet hatte.
Katherine nahm das Taschentuch und ging damit hinauf ins Kinderzimmer.
Sally sprang auf, als sie eintrat.
»Wo ist diese Decke? Die gestickte?«
»Ich … ich habe sie nicht …«
»Hast du sie entsorgt, wie ich es dir gesagt habe?«
»Ja, ich … ich wollte sie der Kinderhilfe geben. Aber ich gucke noch einmal nach …«
Sally hob den Deckel der Truhe und wühlte in den Stoffen.
»Da ist sie.«
»Ich wusste es.« Katherine riss ihr mit einem ärgerlichen Schnauben die Decke aus der Hand und trat ans Fenster. Sie verglich die beiden Stickereien im hellen Tageslicht.
»Verzeihen Sie mir, M'lady.«
»Schau. Sie sind sehr ähnlich, oder?«
Sally trat vorsichtig näher und beugte sich darüber. »Ja, es sieht so aus.«
»Wissen Sie, wer diese Decke gestickt hat?«
Die Amme zögerte. »Ich
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