Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)
zur Verfügung hat?«
»Was hat die Frau denn gesagt?«
»Etwas von ihrem Sohn und dass Dr. Taylor mit ihm zusammen studiert habe.«
»Na also.« Charles blätterte seine Zeitung um.
»Ich glaube es einfach nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Dunweedys sich Oxford oder Cambridge leisten können. Wo hat Taylor denn studiert, weißt du das?«
»Nein, weiß ich nicht.«
»Ich werde es herausfinden.«
»Warum?«
»An der ganzen Sache stimmt etwas nicht.«
Charles warf ihr über die Zeitung hinweg einen Blick zu. »Natürlich stimmt da etwas nicht. Immerhin hast du deine ledige Cousine mit ihrem Kind besucht.«
»Ja, ja. Aber das meine ich nicht. Ich meine Taylor, der so plötzlich dort aufgetaucht ist.«
»Du hast ihn doch gebeten, ihr das Geld zu geben, oder?«
»Ja, schon, aber ich hatte irgendwie den Eindruck, dass sein Besuch einer von vielen war, dass er öfter hinkommt.«
Charles zuckte die Achseln und nahm seine Lektüre wieder auf. »Selbst wenn er dort war, um Charlotte, seine frühere Patientin, zu besuchen, kann ich nichts Ungewöhnliches daran finden.«
»Wirklich nicht?«
Charles sagte so beiläufig wie möglich und ohne die Augen von seiner Zeitschrift zu heben: »Du sagst, Charlotte hat ein kleines Mädchen … eine Tochter?«
»Ja. Sie heißt Anne. Wirklich ein winziges Ding. Ganz anders als unser robuster Edmund.«
»Und was hat sie zu Edmund gesagt?«
»Die üblichen Nettigkeiten. Allerdings nicht mit der Begeisterung, die ich erwartet hatte. Sie fand auch, dass er dir ähnlich sieht.«
Charles nickte, sagte aber nichts mehr.
»Ich gebe zu, ich habe mir ihr Kind genau angeguckt. Ich dachte, ich könnte vielleicht eine Ähnlichkeit mit jemandem entdecken, den wir beide gut kennen.«
Er sah zu ihr auf, plötzlich verunsichert. Hatte Katherine vermutet, das Kind würde ihm ähnlich sehen? Unbehaglich rutschte er in seinem Sessel herum.
»Natürlich hat sie, was William betrifft, nichts zugegeben. Aber ich denke immer noch … dann tauchte allerdings dieser Taylor auf. Er war den ganzen, weiten Weg von London gekommen. Meinst du, dass er vielleicht …?«
»Taylor ist verheiratet.«
»Wir wissen beide sehr gut, dass das noch lange keine Garantie ist. Er kam allein.«
»Das ist durchaus üblich. Außerdem habe ich gehört, dass seine Frau ebenfalls ein Kind erwartete. Inzwischen ist er wahrscheinlich auch schon Vater.«
»Wirklich?«
»Wirklich!«
Katherine zuckte die Achseln, ihre hübschen Lippen kräuselten sich nachdenklich. Sie schien sich zufriedenzugeben, jedenfalls fürs Erste.
Das Stadthaus der Taylors war ein hohes, schmales Gebäude, eingezwängt zwischen Dutzenden anderer Häuser gleicher Bauart. Die Arztpraxis lag im Parterre, über der Küche und unter den drei Stockwerken, in denen die Wohnräume untergebracht waren. Als sie anlangten, ging Daniel Charlotte voraus in die Praxis, stellte seine Arzttasche ab und hob ein paar Briefe auf. Dann lächelte er ihr ermutigend zu. »Hier entlang.«
Er nahm ihre schwere Reisetasche und sie folgte ihm mit Anne auf dem Arm die Treppe hinauf. Im ersten Stock trat er in ein Zimmer, wahrscheinlich das Wohnzimmer. Charlotte war zögernd auf dem Treppenabsatz stehen geblieben.
Sie hörte die glückliche Stimme von Mrs Taylor: »Daniel! Mon amour. Tu m'as manqué! «
Charlotte trat zögernd in die offene Tür. Von hier aus konnte sie erst einmal nur Dr. Taylors Rücken sehen. Er hatte die Arme weit ausgebreitet. Sie erhaschte einen kurzen Blick auf Mrs Taylors schwarzes Haar und strahlendes Lächeln, bevor sie in der Umarmung ihres Mannes verschwand. Charlotte mied ihren Blick und trat wieder auf den Gang hinaus.
»Ich habe dich auch vermisst. Mehr als du dir vorstellen kannst.«
»Hast du sie mitgebracht? Notre fille? «
»Natürlich, mein Liebling.«
Als Daniel an die Tür kam, trat Charlotte wieder nach vorn. Eilig, aber behutsam legte sie ihm Anne in den Arm und zog sich wieder auf den Flur zurück.
Sie hörte, wie Lizette Taylor heftig die Luft einsog. Dann kam ein Stöhnen, freudig und traurig zugleich.
» Annette! Ma petite. Ma fille. Chair de ma chair .« Die Worte waren eine warmherzige Litanei der Liebe und des Verlusts. » Tu es très grand .« Charlotte hörte ein Lachen, gemischt mit unsichtbaren Tränen. » Quel bébé dodu! «
»Ja, sie wurde gut gefüttert«, sagte Daniel.
» La nourrice? «
»Ja, mein Liebling, ich möchte sie dir gern vorstellen.«
Wieder trat Charlotte einen Schritt vor.
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