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Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofia Caspari
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Dann fuhr sie resoluter fort: »Marlena, du bist meine Freundin. Wir haben so viel zusammen erlebt. Ich möchte, dass es wieder so wird wie früher!«
    Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte Marlena Estellas Ansinnen rundweg abgelehnt, aber heute nicht. Manchmal waren die Dinge so einfach, manchmal musste man einander verzeihen.
    Estella und Marlena blickten sich an. Fast zur gleichen Zeit fingen sie an zu lächeln, und dann fielen sie sich auch schon schluchzend in die Arme.

Drittes Kapitel
    Verdammte Hitze. John wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ihm war elend zumute. In letzter Zeit überfielen ihn wieder öfter Stimmungsschwankungen, die sich nur durch noch intensivere Arbeit bekämpfen ließen. Jetzt wollte er die Wut in sich wieder hervorlocken, die Wut über diese herrlichen Gebäude, die den Reichtum so vieler Bürger von Buenos Aires repräsentierten, und das Elend, das ihnen zu Füßen dahinvegetierte. Er blieb vor dem weißmarmornen Schloss der Banco National stehen. Immer noch hungerten, ja starben sogar Menschen in dieser Stadt, und was mochte das hier alles gekostet haben! Etwas später passierte er den neuen Prunkbau im wilhelminischen Stil, der das schlichte Heim des Deutschen Klubs ersetzt hatte. Wenigstens gab es inzwischen auch die erste sozialistische Wochenschrift in deutscher Sprache.
    Endlich, hatte John gedacht, als er davon gehört hatte, endlich.
    Ein seltsames Geräusch hinter ihm ließ ihn zusammenzucken. Er stockte, drehte sich um und drückte sich schnell in die Schatten.
    Er hatte in den letzten Tagen öfter gedacht, dass er sich in Diskussionen zu weit vorwagte mit seiner Kritik. Er hatte damit gerechnet, dass etwas geschehen, dass man ihm Schläger auf den Hals hetzen würde. Die Leute, die er kritisierte, solche, wie Lorenz Schmid oder die feinen Cuthberts, gingen nicht immer zimperlich mit ihren Gegnern um. Freunde hatten ihm zugetragen, dass sein Kampf für die Sache in den betuchteren Kreisen nicht unbedingt auf Zuspruch traf. Es hieß, er wiegle die Arbeiter auf und mache sie unzufrieden. Seitdem hatte John sich bemüht, wachsamer zu sein.
    Und nun fielen ihm wieder die beiden Männer auf, von denen er glaubte, sie noch nie in der Gegend gesehen zu haben. Wobei das eigentlich nicht ungewöhnlich wäre. Fast täglich tauchten in der Stadt Menschen auf, die aus Europa kamen. Fast täglich sah man neue Gesichter. Hacer America , Amerika machen, so nannte man das. In Argentinien waren die Straßen angeblich mit Silber gepflastert – man musste nur noch zugreifen.
    Arme Irre.
    Aber diese beiden Fremden, war John sich plötzlich sicher, waren nicht eben erst aus Europa gekommen, sie waren ortskundig. Er kannte die beiden, es waren die, die ihm seit dem Morgen unbeirrbar gefolgt waren. Er hatte versucht, sie abzuschütteln, was ihm aber einfach nicht gelungen war.
    John ging weiter, etwas schneller jetzt, bog um eine Ecke, lief ein Stück die Straße entlang, versuchte, sich in der Menge zu verstecken, und drückte sich dann hinter einem Werbeschild fest gegen die Wand. Er wartete einen Moment, holte tief Luft und blickte sich suchend um.
    Niemand mehr zu sehen. Ob er es doch wagen konnte?
    Himmel, auch wenn es warm ist. Ich will die Nacht nicht hier draußen verbringen.
    Aber vielleicht waren die beiden Fremden auch gar nicht seinetwegen hier. Vielleicht versteckte er sich ganz unnötig vor ihnen.
    Ach, und warum sollten sie dir gefolgt sein? Wegen deines hübschen Anzugs? Nun gut, er konnte hier trotzdem nicht bleiben …
    John holte kurz entschlossen noch einmal tief Luft und steuerte auf das Haus zu, in dem sich derzeit sein Zimmer befand, ein kleiner Raum im zweiten Stock. Einer seiner Nachbarn grüßte ihn. John nickte ihm zu, immer noch den Körper angespannt und darauf bedacht, sich einer drohenden Gefahr notfalls sofort entgegenzustellen. Als er die Tür seines Zimmers hinter sich abgeschlossen hatte, wischte er sich den Schweiß von der Stirn. An diesem Abend entzündete er kein Licht mehr, sondern ging sofort ins Bett.
    Mitten in der Nacht wurde John von einem Schaben geweckt. Da ist jemand an der Tür, fuhr es ihm im Halbschlaf durch den Kopf.
    Er ließ sich sofort vom Bett auf den Boden fallen und horchte. Das klapprige Schloss würde jeder in nur kurzer Zeit öffnen können. Wenn nicht, würde die Tür auch schon auf einen kräftigen Tritt hin nachgeben. Lautlos richtete er sich auf und huschte zum Fenster. Er hatte Glück. Wegen der Hitze hatte er es offen stehen

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