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Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofia Caspari
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Kajüte aus ihren Aufzeichnungen vor. Meist saß Anna dabei auf dem recht breiten Bett, während Julius am Tisch Platz nahm. Leonora schlief in den Armen ihrer Mutter oder im Bett ihrer Eltern. Von Marlenas beruflichen Plänen wussten allerdings weiterhin beide nichts, noch nicht einmal Anna, mit der Marlena bisher all ihre Zukunftsträume geteilt hatte. Ein Gedanke schoss Marlena durch den Kopf, während sie ihren Skizzenblock an sich drückte. Ich möchte nicht in Mamas Fuhrgeschäft einsteigen. Ich möchte sehr lange auf der Schule bleiben, viel lernen und später auf Reisen gehen und schreiben.
    Wie sollte sie das nur ihrer Mutter erklären?
    Es wird ihr nicht recht sein, dachte Marlena, während sie ihrer Mutter einen kurzen Blick zuwarf, es wird ihr nicht recht sein. Für Mama muss immer alles handfest sein.
    Mit einem Seufzer stand die Dreizehnjährige auf.
    »Ich gehe noch ein wenig an Deck, Mama.«
    »Ja, gut. Das Wetter ist wirklich schön.«
    Marlena warf der Mutter und ihrer jüngeren Schwester einen letzten kurzen Blick zu, bevor sie die Kajüte verließ. Irgendwann würde sie mit ihrer Mutter reden müssen. Sie hatte den Eindruck, ohnehin den Weg, den sie eingeschlagen hatte, nicht mehr verlassen zu können. Sie wollte die Welt kennenlernen, ihren Erfahrungsschatz erweitern und alles festhalten, was für sie von Bedeutung war …
    Als sich die Tür hinter Marlena schloss, wartete Anna noch einen Augenblick, bevor sie die schlafende Leonora in die Wiege legte. Dann griff sie entschlossen nach der Ledermappe, die ihre ältere Tochter auf dem kleinen Tisch hatte liegen lassen. Behutsam öffnete sie sie und betrachtete die Zeichnungen, die Marlena angefertigt hatte. Ihre Tochter war künstlerisch begabt, beobachtete präzise und schrieb auch unterhaltsame Texte, das wusste Anna bereits. Sie hoffte, dass Marlena dieses Können auch hilfreich sein würde, wenn sie das Fuhrunternehmen Meyer-Weinbrenner & Co eines Tages übernahm.
    Sie wird auch das gut machen, sagte sich Anna. Sie ist klug.
    Mit einem leisen Seufzer schob sie die Papiere in die Mappe zurück. Himmel, durchfuhr es sie im nächsten Moment, was machst du dir darum schon Gedanken? Marlena ist erst dreizehn, es vergehen noch einige Jahre, bevor sie die volle Verantwortung übernehmen muss. Jetzt galt es erst einmal, nach der langen Reise selbst wieder die Arbeit im Geschäft aufzunehmen. Anna konnte es kaum erwarten. Sie legte die Ledermappe zurück an ihren Platz und dachte an die Ankunft in Buenos Aires. Aber sosehr sie sich darum bemühte, sie schaffte es nicht, ihre Gedanken um Marlenas Zukunft zu verdrängen.
    Warum bin ich nur so unruhig?, überlegte sie. Es macht Marlena Spaß, zu zeichnen und zu schreiben. Warum soll sie keinen Spaß haben?
    Aber sie, Anna, hatte einfach zu lange für ihr Geschäft gekämpft, sie konnte die Sache nicht ruhig angehen. In schlimmen Zeiten hatte sie sogar Dinge für das Geschäft getan, die vielleicht nicht unrecht, ganz sicher aber auch nicht recht gewesen waren.
    Der Gedanke, dass Marlena ihr Erbe womöglich nicht würde antreten wollen, stimmte Anna mehr als unbehaglich.
    Es befanden sich viele Menschen an Bord, und Marlena war eine gute Beobachterin. Es gab Ärzte, Ingenieure, ausgediente Offiziere sowie ein paar Herren, die zu ihrem früheren Beruf keine rechten Angaben machten. Einige junge Argentinier kehrten von einer Studien- oder Vergnügungsreise zurück. Auch eine Gruppe neureicher, italienisch-argentinischer Wursthändler, deren Finger mit unzähligen protzigen Ringen geschmückt waren, befand sich auf dem Schiff. Hinzu kamen Sängerinnen von der Mailänder Scala auf ihrer alljährlichen Tournee nach Südamerika. Man vertrieb sich die Zeit damit, sich zu unterhalten, Karten zu spielen, zu schlafen, viel zu essen, zu lesen und sich die Zukunft auszumalen. Von Genua aus steuerte die Nordamerika, der Mittelmeerküste folgend, an Marseille vorbei, passierte Barcelona, Valencia und dann die Straße von Gibraltar. Kurze Aufregung gab es im spanischen Cádiz, wo weitere Passagiere an Bord kamen, als ein Mitreisender von der dortigen policía abgeholt wurde. Zum Abendessen wussten einige zu berichten, dass er zu einer der immer weiter verbreiteten europäischen Betrügerbanden gehörte.
    Zur Tafel begab sich die erste Klasse gemeinsam in den großen, vortrefflich eingerichteten Salon des Schiffes hinunter, wo es dann stets noch mehr zu beobachten gab. Am faszinierendsten fand Marlena jedoch die

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