Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofia Caspari
Vom Netzwerk:
damit würde Eindruck schinden können. Es war weiß Gott nicht leicht, Estella zu beeindrucken. Trotzdem zögerte sie, bevor sie den nächsten Satz sagte.
    »Und ich habe Jennys ehemaligen Verlobten kennengelernt.«
    »Ihren ehemaligen Verlobten?« Estella ließ die Teetasse, die sie eben an den Mund hatte führen wollen, wieder sinken. Die beiden jungen Mädchen hatten es sich am Abend in Marlenas Zimmer gemütlich gemacht. »Ich wusste gar nicht, dass sie schon einmal verlobt war.«
    Marlena zuckte die Achseln. »Das wusste ich auch nicht. Sie hat nie etwas davon gesagt, oder? Vielleicht war sie auch gar nicht verlobt. Er hat so was Komisches gesagt. ›Ich würde dich immer noch nicht heiraten, solltest du das heute noch wünschen.‹«
    »Wirklich komisch«, pflichtete Estella ihrer Freundin bei und setzte sich ungeduldig gerader in ihrem Sessel auf. »Ist das alles, was du weißt?«
    Marlena schüttelte den Kopf. »Nein, er heißt John Hofer und ist vor Kurzem aus New York zurückgekehrt, und ich glaube … Ich glaube, er ist ein … ein Revolutionär.«
    Marlena senkte die Stimme, während sie das heikle Wort aussprach. Ihre Mutter mochte keine Unruhestifter. Das hatte sie schon mehrfach gesagt. Sie mochte keine Leute, die nur redeten und das Leben nicht anpackten. Für ihre Mutter galt nur der etwas, der hart zu arbeiten bereit war. Aber sie war bestimmt kein Unmensch. Marlenas Gedanken schweiften ab. Was Anna wohl zu den Frauen auf der Plaza Lavalle sagen würde?
    »Wie kommst du darauf?«, fragte Estella.
    »Worauf?«
    »Na, dass er ein Revolutionär ist.« Estella lachte. »Unruhestifter würden ihn wohl andere nennen.«
    »Ja, Mama zum Beispiel.« Marlena überlegte. »Ach, da waren Dinge, die er gesagt hat.«
    Eigentlich hatte er nicht viel gesagt, es war vielmehr die Art gewesen, wie er die Dinge gesagt oder auch nicht gesagt hatte. Er hatte ihr zum Beispiel keine Komplimente gemacht, und es verwunderte Marlena immer noch, was er gegen die Fürsorge einzuwenden hatte.
    »Was denn?«, bohrte Estella weiter.
    »Ich glaube, er hat etwas gegen die Fürsorge, karitative Arbeit und so etwas.«
    »Ah.« Nun schaute Estella verständnislos drein. Marlena überlegte, ob ihr noch etwas einfiel. Dann zuckte sie die Achseln.
    »Ich weiß nicht …«
    Estella wartete einen Moment, ob ihrer Freundin noch etwas einfiel, dann stand sie auf und ging zum Frisiertisch. Sie setzte sich, nahm Marlenas Kamm und begann, sich langsam das Haar zu kämmen.
    »Morgen gehen wir zu Lenchen«, sagte Marlena, »sie hat uns sicher heute schon erwartet, aber ich dachte nicht, dass wir so lange Zeit bei Maria verbringen würden. Mmh«, sie leckte sich für einen Moment genüsslich über die Lippen, »Marias Kuchen und ihre Schokolade sind aber auch einfach zu lecker.«
    »Meinst du«, fiel Estella ihr nachdenklich ins Wort, »wir könnten Jenny einmal gemeinsam besuchen?«
    Für einen flüchtigen Moment spürte Marlena ein überraschendes Gefühl von Unwohlsein in der Magengrube, dann nickte sie. Ihr war klar, wen Estella zu sehen hoffte: John Hofer.

Sechstes Kapitel
    »He ho! Vorsicht, Männer!«
    Frank legte den Kopf in den Nacken und beschirmte mit der Hand die Augen gegen das Sonnenlicht, um zu sehen, wovor der Vorarbeiter warnte. An einem der Kräne weiter vorn, erkannte er schnell, musste einer der Balken aus dem Gleichgewicht geraten sein und baumelte nun bedrohlich über den Köpfen der aufgeregt durcheinanderrufenden Arbeiter. Am deutlichsten war Wallace Stephens Stimme zu hören. Der hellblonde Engländer mit der immer etwas geröteten Gesichtshaut hatte erst kurz zuvor darüber gemurrt, dass es immer »schnell, schnell« gehen müsse.
    »Zeit ist Geld, sagen sie«, hatte er über einem Pint Ale zu Frank gesagt, »aber kein Geld der Welt bringt uns die Gesundheit zurück, wenn sie einmal zerstört ist – schon gar nicht das Leben.«
    Nicht wenige sagten, Wallace sei ein Aufwiegler, aber Frank konnte nicht umhin, ihm Recht zu geben. Sie hatten schon auf mehreren Baustellen zusammengearbeitet und waren im Laufe der Zeit zu guten Freunden geworden.
    Frank schaute noch einmal zu dem Kran, entschied dann, dass es genügend Männer in der Nähe gab, das Problem zu beheben, und widmete sich wieder seiner Mauer. Während er fortfuhr, Stein auf Stein zu setzen, kehrten die Erinnerungen zurück: Die Arbeit als Holzfäller im Chaco nach seiner Flucht aus Esperanza. Dann die erste Reise nach Buenos Aires, wo er gehofft hatte, Mina

Weitere Kostenlose Bücher