Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
Denken, was diesen Bereich seines Lebens betrifft.« Anscheinend waren ihm die anderen Geschäfte, die er für seinen Lehnsherrn tätigte, wesentlich lieber als der Ankauf von Reliquien, einer Leidenschaft des sächsischen Kurfürsten, der es sich offenbar zum Anliegen gemacht hatte, die größte Sammlung Europas zusammenzutragen. Was die Vorhaut von Jesus Christus betraf, so war diese vermeintliche Reliquie in der Tat eine der prekärsten, denn es gab viele, die sich im Besitz der einzig wahren und echten Heiligen Tugend wähnten – so die fromme Umschreibung dieses einzigen Körperteils, der, abgesehen von Blut, Nabelschnur, Haaren und Nägeln nach Christi Himmelfahrt noch körperlich auf Erden existieren konnte –, und natürlich beharrte jeder von ihnen vehement darauf, dass alle anderen Reliquien falsch seien.
»Wie seid Ihr daran gekommen?«, wollte der Deutsche wissen. »Ich meine, wer beschafft diese Dinge für Euch?«
»Jeder, der sich ein gutes Geschäft davon verspricht.« Um keinen falschen Eindruck aufkommen zu lassen, fuhr Antonio fort: »Glaubt nur nicht, ich würde Aufträge erteilen, heimlich und im Schutze der Nacht Reliquien zu entwenden und gegen Fälschungen auszutauschen. Man trägt diese Dinge an mich heran. Pilger kommen aus dem Heiligen Land zurück und fragen nach mir, weil sie ihre frommen Mitbringsel zu Geld machen wollen. Arme Mönche erliegen der Versuchung, der sie tagtäglich in ihren Klöstern beim Anblick des heiligen Gebeins in einem kostbaren Schrein ausgesetzt sind. Sogar Bischöfe haben schon unter dem Siegel der Verschwiegenheit ihre Vertrauensleute zu mir geschickt, um heimlich ihre Pfründen aufzubessern.« Das war nichts weiter als die schlichte Wahrheit. Er musste sich nur noch selten die Mühe machen, selbst nach handelbaren Reliquien zu suchen. Hatte er anfangs noch genau das getan, was er eben noch so vehement abgestritten hatte, so war das schon seit einer Weile nicht mehr nötig.
Der Deutsche nickte. »Ich verstehe. Euer ... ähm, Expertentum und Eure Zuverlässigkeit auf diesem Gebiet haben sich gewissermaßen herumgesprochen, nicht wahr? Nun ja, Ihr widmet Euch diesem Geschäft ja auch bereits seit längerem und habt Euren Ruf auf diese Weise gefestigt.« Er runzelte besorgt die Stirn. »So, wie man auch sicher schon allerorts weiß, dass Seine Durchlaucht sich in seiner tiefen Frömmigkeit dieser, hm, Sammelleidenschaft ergeben hat.« Der Deutsche machte eine schicksalsergebene Geste und schwieg.
»Wie ich hörte, hat Euer Herr eine besonders ansehnliche neue Schlosskirche bauen lassen«, nahm Antonio das Gespräch wieder auf.
»Und Ihr meint, darin ist noch viel Platz für viele Reliquien?« Der Deutsche lachte, aber es klang nicht sonderlich froh.
»Wenn ich Euch einen guten Rat geben darf: Man sollte um die Sammlung nicht so viel Aufhebens in der Öffentlichkeit machen«, meinte Antonio, bemüht, seine Belustigung nicht zu zeigen. »Ein unterirdisches Gewölbe könnte nicht schaden.«
»Ha! Er will sogar Illustrationen über die Sammlung anfertigen lassen, damit alle Welt sie bestaunen kann! Er hat einen berühmten Maler damit beauftragt, einen Künstler namens Cranach!«
»Dieses hier kann er nicht malen.« Antonio klappte das Kästchen zu. »Falls Ihr es überhaupt wollt. Ich habe auch andere Interessenten.«
»Natürlich nehme ich es«, versetzte der deutsche Kaufmann grollend. »Was glaubt Ihr denn? Und selbstverständlich wird es auf keiner offiziellen Illustration erscheinen, schließlich liegt Seiner Durchlaucht an guten diplomatischen Beziehungen zum Vatikan.« Er dachte kurz nach. »Und zu Antwerpen, denn da gibt es auch eine, nicht wahr?«
Antonio nickte nur. Er sparte sich den Hinweis, dass sich noch mindestens ein halbes Dutzend anderer Städte ebenfalls rühmte, das einzig wahre Sanctum Praeputium zu besitzen, denn damit hätte er den armen von Wessel nur in noch größere Konflikte gestürzt.
Er selbst hielt es in diesem Punkt wie ein früherer Papst, der zu dem Streit um die Echtheit dieser Reliquie angeordnet hatte, dass diese Frage Gott dem Allmächtigen zu überlassen sei.
»Nun denn, Ihr dürft es mir schenken«, erklärte von Wessel augenzwinkernd.
»Selbstverständlich.« Antonio überreichte ihm das Kästchen. Das kanonische Recht verbot es den Gläubigen, mit Reliquien zu handeln, das war nur eigens dazu beauftragten kirchlichen Würdenträgern gestattet, doch das Verschenken war erlaubt. Von Wessel würde ihm im Gegenzug
Weitere Kostenlose Bücher