Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
Austausch für die Reliquie ausgehandelt hatte. Und er dachte an ungarischen Alaun. »Dann wäre es sowieso egal, ob Venedig sich künftig noch dem Alaunmonopol unterwirft oder nicht. Cattaneo hat das erkannt und will dort beizeiten seinen Fuß in die Tür bekommen, um dann das große Geld zu verdienen, wenn der Vatikan keinen päpstlichen Alaun mehr herausrückt.« Angespannt ging er mit großen Schritten in dem Kontor hin und her. »Cattaneo will einen drohenden Boykott für sich ausnutzen und ein neues Monopol etablieren!«
»Ihr drückt es treffend aus.«
Antonio blickte den Älteren abwägend an. »Und Ihr möchtet dem nicht tatenlos zuschauen.«
»Das habt ihr sehr gut erfasst«, sagte von Wessel. Seine Stimme klang mit einem Mal sorgenschwer. »Nur leider werden wir alle unterdessen nicht jünger, sondern älter. Messèr Zinzi und ich. Der Zehnerrat Querini ...«
»Der ist doch gewiss noch nicht so alt, oder?«, fiel Antonio ihm ins Wort.
»Oh, er ist auch schon über fünfzig. Und die Last seiner Pflichten wiegt schwer, sowie auch die der unseren. Wir alle bewegen uns mit behäbiger Bedachtsamkeit auf ausgetrampelten Wegen, die breit und überschaubar sind. Aber mit einem Mal türmen sich Hindernisse vor uns auf, und wir müssen nach Umwegen suchen.« Von Wessel musterte ihn. »Ihr seid nicht nur äußerst klug und verhandlungssicher, sondern obendrein auch ein großer und ungemein starker junger Mann, das fiel mir schon früh an Euch auf. Dieser Dolch und der Degen da – Ihr tragt beides nicht nur zur Zierde, das weiß ich wohl. Ich hörte, Ihr habt Euch gründlich im Waffenhandwerk ausbilden lassen.«
Antonio erinnerte sich nur zu deutlich an die eine oder andere beschämende Niederlage, die ihn dazu bewogen hatten, sich die besten Lehrer zu suchen und sich im Gebrauch aller gängigen Waffen zu üben. Es gab Fehler, die man nicht mehr als zwei Mal machte, und einer davon bestand darin, sich ohne Kampferfahrung mit einem geschulten Degenfechter anzulegen. Er hob die Schultern. »Es ist immer gut, für den Kampf gerüstet zu sein«, meinte er. »Ob er nun mit oder ohne Waffen geführt wird.«
Er hielt inne, denn die Tür tat sich auf, und ein junger Mann kam hereingestürzt. Er trug einen mit Farbklecksen gesprenkelten Malerkittel, und auch sein zerzaustes Haar war von bunten Flecken übersät. Ein teils ungehaltener, teils verzweifelter Ausdruck stand auf seinem Gesicht. »Madonna, verzeiht mir, dass ich Euch so lange ...« Verdutzt hielt er inne. »Oje, ich bitte um Vergebung, Messères, ich dachte, das Kontor steht noch leer!«
»Sieht es etwa leer aus?«, erkundigte sich von Wessel verärgert.
»Nun ja, jetzt, da Ihr darin seid, vielleicht weniger«, gab der junge Mann schlagfertig zurück. »Aber Ihr müsst zugeben, dass ein Kontor, in dem es weder Akten noch Bücher noch Papier gibt, einen unbenutzten Eindruck auf den Betrachter macht.«
»Schert Euch raus«, brummte der Deutsche.
»Ähm ... gewiss. Sofort. Ich muss nur kurz ... wenn Ihr gestattet ...« Sich verneigend, strebte er zum offenen Fenster und beugte sich hinaus. »Madonna? Ah, was für ein Glück, Ihr seid hier! Ich bin untröstlich, dass ich Euch so lange warten lassen musste! Mein Auftraggeber hat pausenlos und sehr ausdauernd auf mich eingeredet, ich merkte gar nicht, wie mir geschah!«
Antonio wechselte einen befremdeten Blick mit von Wessel, bevor er wieder zum Fenster hinüberschaute.
Der junge Mann streckte eine Hand nach draußen. »Kommt, ich helfe Euch!«
Ein schlanker Frauenarm erschien, dann ein nackter Fuß unter einem geschürzten Rock, und zuletzt fiel Antonios Blick auf ein erhitztes und hochrotes Gesicht, das umrahmt war von noch röterem Haar.
Sie schaute zu Boden und wagte nicht daran zu denken, wie sie jetzt aussehen mochte. Ihre Wangen fühlten sich an wie von Feuer bestrahlt, und ihr Herz schlug so hart, dass sie meinte, jeder im Raum müsse es hören. Sie war über alle Maßen dankbar, dass Tiziano es ebenso eilig hatte, das Kontor zu verlassen, wie sie selbst. Mit gesenktem Kopf stolperte sie hinter ihm her, hinaus auf den Gang.
»Augenblick mal«, hörte sie hinter sich Antonio irritiert sagen. »Du kannst doch nicht einfach ...«
»Kennt Ihr sie?« Das war der deutsche Kaufmann, ebenso irritiert. »Mir kommt sie ebenfalls bekannt vor, es ist nur eigenartig, dass ich mich nicht sofort erinnere, wo ich sie schon sah. Bei dieser auffallenden Erscheinung höchst eigenartig ... Ich muss ein
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