Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
in Kürze für eine symbolische Summe eine bereits ausgehandelte Anzahl von Arkebusen liefern, für die sicher bald jemand Verwendung finden würde. Der Krieg gegen die Franzosen und Osmanen war vorbei, aber in Oberitalien formierten sich bereits neue Allianzen, und deren stärkste Macht, der Vatikan, war Venedig alles andere als freundlich gesinnt.
»Ihr seid wahrlich im Begriff, ein tüchtiger Kaufmann zu werden«, sagte von Wessel. »Ach, was sage ich: Ihr seid schon einer!«
Antonio nahm das Kompliment achselzuckend zur Kenntnis, dachte dabei aber, dass alles, womit er sich bisher beschäftigt hatte, weit weniger ergiebig war, als er es sich gewünscht hätte. In dieser Stadt, wo die Handelsrouten der ganzen bekannten Welt zusammenliefen, war er nichts weiter als eine winzige, kaum sichtbare Wegmarkierung. Er war jung für einen Händler, aber viele gewitzte – und reiche – Kaufleute waren nur wenig älter als er. Sie hatten vielleicht mehr Vermögen im Rücken und verfügten über die Ressourcen und Kredite alteingesessener Handelshäuser, doch die Gesetze, nach denen das Kaufen und Verkaufen funktionierte, waren hier wie dort dieselben. Daran gemessen sah er sich selbst kaum einen Schritt vom Anfang entfernt. Die Geschäfte mochten größer geworden sein, doch das traf auch auf die Einsätze zu. Für die von ihm gehandelte Ware musste er selbst viel zahlen, und die Verdienstspanne rechtfertigte manchmal kaum die damit einhergehenden Gefahren.
»Wie findet Ihr übrigens mein neues Kontor?«, fragte von Wessel leutselig.
Antonio sah sich um und nickte höflich. »Sehr schön. Geräumig und hell.«
»Hättet Ihr Euch jemals träumen lassen, dass Ihr einmal hier mit mir steht und konferiert?«
»Ihr meint, damals, als mich dieser degenbewehrte Geck Cattaneo unten bei der Brücke packte und töten wollte? Nein, vermutlich nicht.« Antonio lächelte freudlos. »Habe ich Euch eigentlich je dafür gedankt, dass Ihr vor Gericht für mich ausgesagt habt?«
»Euch lebendig wiederzusehen war mir Dank genug«, meinte von Wessel. »Außerdem war es nur die reine Wahrheit. Rapinam non vidi. « Ein gutmütiges Lächeln zeigte sich auf seinem feisten Gesicht. »Obwohl Ihr vermutlich im Kerker wenig Dankbarkeit empfunden habt, wem gegenüber auch immer.« Er breitete die Hände aus. »Die Büttel zu rufen war die einzige Möglichkeit für einen alten Mann wie mich, Euch vor Cattaneos Blutdurst zu bewahren.«
»Ihr habt das Richtige getan.« Antonio grinste erneut, diesmal mit echter Heiterkeit. »Ich betrachte unser damaliges Zusammentreffen als Grundstein unserer erfolgreichen Handelsbeziehung.«
»Was ist eigentlich aus dem rothaarigen Knaben geworden, dem Cattaneo ebenfalls ans Leder wollte? Dieser Knabe, der wohl allem Anschein nach eher ein kleines Mädchen war?«
»Ich nehme an, sie ist erwachsen geworden. Und hoffentlich etwas vorsichtiger.« Für Antonio war die Unterhaltung abgeschlossen. Mit einigen höflichen Floskeln verabschiedete er sich und ging zur Tür.
»Er plant übrigens große Geschäfte«, sagte von Wessel hinter seinem Rücken.
Antonio verharrte mitten im Schritt, ohne sich umzudrehen. »Wer?«
»Giacomo Cattaneo. Genauer, die Compagnia , die für ihn sein Geld verdient.«
»Wirklich? Was können das für langweilige Unternehmungen sein?«
Antonio drehte sich langsam zu dem Deutschen um, wobei er sich fragte, ob er die Gelassenheit ausstrahlte, um die er sich bemühte. Offenbar nicht, denn der Deutsche grinste ihn wissend an. »Mir ist klar, dass Ihr ihn nicht ausstehen könnt, und ich empfinde ganz ähnlich. Aber er ist in Venedig eine Größe, mit der man rechnen muss. Seine Versuche, über mich mit dem Fugger und mit Friedrich von Sachsen ins Geschäft zu kommen, sind fehlgeschlagen, deshalb hat er einige Male auf sehr unangenehme Art versucht, mich auszubooten.«
Antonio wusste, wovon der Deutsche sprach. Am Rialto oder unter den Arkaden der Prokuratie sowie in den ausländischen Handelsniederlassungen wurde gefeilscht und um Abschlüsse gerungen. Zu diesen kam es nicht nach Gutdünken, sondern immer nach einer Abwägung von Gewinn und Risiko. Den Zuschlag bekam derjenige, der bei geringstem Einsatz den besten Profit garantierte, was sich indessen oft nicht an den tatsächlichen Gegebenheiten, sondern am Verhandlungsgeschick des Anbieters oder Zwischenhändlers orientierte. Kurzum, wer sich darauf verstand, seine – womöglich schon aus vorangegangenen Geschäften bekannte –
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