Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
lächelte zu ihr herunter, er kannte sie zu gut. »Warte hier.«
Er verschwand mit eingezogenem Kopf unter einem Sottoportego und kam wenig später mit einem noch dampfenden Brot zurück. Mit geübtem Griff riss er es auseinander und teilte es mit ihr, und während sie weitergingen, schlangen sie es in einträchtiger Gier hinunter, ohne auch nur den Versuch zu machen, manierlich zu essen. Genauso, wie sie es früher oft getan hatten, nachdem sie einen Fornero bestohlen hatten.
»Ich habe es bezahlt«, sagte Antonio, als hätte er ihre Gedanken gelesen.
Sie verschluckte sich und hustete. »Ich hatte dir keinen Diebstahl unterstellt!«
Er grinste nur.
Die ersten fahlen, von Nebel umhüllten Ausläufer des Morgenlichts kamen von Osten her näher und überzogen den Himmel über den Dächern mit einem Hauch von Röte. Aus südlicher Richtung blies ein kräftiger, feuchter Wind und hinterließ einen Geschmack von Salz auf der Zunge. Am äußeren Zipfel des Sestiere gab es entlang des Zattere zahlreiche Salinen und Salzmagazine.
Auf dem Ponte dei Pugni lagen einige Zecher, die ihren Rausch ausschliefen, ebenso in den Gondeln, die entlang der Kais vertäut lagen oder mit hängender Bootsleine über das Wasser trieben. Hin und wieder kamen ihnen im aufsteigenden Frühdunst übernächtigte Passanten entgegen, unsicher auf den Beinen und die Gesichter hinter Masken oder unter Kapuzen verborgen.
Als sie den Rialtobezirk erreichten, erwachte die Stadt allmählich zum Leben. Vereinzelt kamen Frühaufsteher aus ihren Häusern, um an den Zisternen Wasser zu holen. Einige alte Frauen, ganz in Schwarz gehüllt, gingen zur Frühmesse, denn der Faschingsdienstag war ein offizieller Feiertag – für die meisten Venezianer indessen kein Anlass zur Frömmigkeit; eher nutzten sie diesen letzten Tag der Karnevalszeit zu einem durchgehenden, rauschenden Fest, bis mit dem Beginn des nachfolgenden Tages die zügellosen Vergnügungen fürs Erste endeten.
In der Gasse vor der Apotheke war alles ruhig. Noch waren die letzten Schatten der Nacht nicht aus dem Dämmer unter den Auskragungen der Häuser gewichen, und die allmählich einsickernde Helligkeit wurde durch den Nebel verschleiert.
»Feierst du heute Abend wieder mit mir Karneval?«, fragte Antonio.
Laura wollte die Frage vehement verneinen; ein weiterer Sündenfall war schlicht undenkbar. Doch Antonio schien ihren Einwand vorauszuahnen. »Mit feiern meine ich nur feiern«, sagte er rasch. »In der Gondel spazieren fahren. Tanzen. Gut essen, ein Glas Wein trinken. Den Feuerschluckern und Akrobaten zusehen. Bring um des lieben Anstands willen deine Magd mit, wenn du möchtest.« Seine Stimme wurde drängend. »Willst du mit mir zum Karneval?«
»Ich ... Oh, ja.« Entwaffnet lächelte sie zu ihm auf. Und wie sie es wollte! Allein bei der Vorstellung, mit ihm zu tanzen, wurde ihr auf herrlich verruchte Art schwindlig.
Als sie ein paar Häuser weiter ein Geräusch hörte, fuhr sie zusammen. »Das muss bei der Apotheke sein, bestimmt ist es Mansuetta! Schnell, fort mit dir!«
Antonio packte sie ohne Vorwarnung und zog sie in seine Arme. Er küsste sie hart und verlangend, und augenblicklich spürte sie dasselbe Begehren wie am Vorabend. Betäubt gab sie sich seinem Kuss hin, und sie wehrte sich auch nicht, als seine Hände unter ihre Stola glitten und ihre Hinterbacken umfassten. Er hob sie an wie eine Feder und presste sie dicht an seinen Körper, bis sie die Härte seiner Erektion spüren konnte und stöhnend versuchte, ihm noch näher zu kommen. Die Bartstoppeln an seinen Wangen und seinem Kinn scheuerten ihre Haut auf, doch der Schmerz steigerte nur ihre Lust.
Abermals war ein Geräusch zu hören. Laura löste sich eilends aus Antonios Armen. »Rasch! Nun geh endlich, sonst sieht man uns noch! Ich bin ohne Anstandsbegleitung!«
»Ich wollte Mansuetta noch wegen des Briefes die Meinung sagen.«
»Das erledige ich schon.«
»Wenn nicht, mache ich es. Heute Abend.« Er warf ihr einen Luftkuss zu, dann verschwand er mit großen Schritten in der nebligen Morgendämmerung.
Laura wartete, bis seine Schritte auf dem Pflaster verhallt waren, bevor sie sich umdrehte, um das letzte Stück bis zur Apotheke zu gehen.
Bedrückt überlegte sie, dass Mansuettas Verhalten in der letzten Zeit nun nachvollziehbarer war, vor allem ihr Ärger darüber, dass Laura sich so häufig mit Zuane traf. Kaum hatte sie den einen Mann von Laura ferngehalten, war schon der nächste aufgetaucht.
Laura
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