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Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Titel: Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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sie Antonio getroffen hatte. Mansuetta hätte in diesem Fall nur eins und eins zusammenzählen müssen, und schon wäre herausgekommen, wo und mit wem sie wirklich die Nacht verbracht hatte.
    Mansuetta schien zu merken, dass sie auf ihre Frage keine Antwort mehr erhalten würde. Schnaubend wandte sie sich ab, um durch die Küche zur Treppe zu stapfen. »Ich gehe wieder ins Bett«, rief sie über die Schulter zurück. »Du kannst selbst sehen, wie du die Wogen glättest, wenn dein blond gelockter Kavalier hier gleich mit einem Suchtrupp auftaucht.«
    Laura verriegelte rasch die Eingangstür und wartete dann, bis sie Mansuettas schleifende Schritte auf der Treppe hörte. Ihre Hände zitterten immer noch, als sie in ihren Ausschnitt griff, um das Ledersäckchen hervorzuholen, das Cattaneo vorhin in ihr Kleid gestopft hatte. Es war fast bis zum Nabel hinabgerutscht.
    Beim ersten Versuch, es aufzuschnüren, fiel es ihr zu Boden. Sie lauschte dem merkwürdig dumpfen Geräusch des Aufpralls nach und wappnete sich gegen das leise Grauen, das unvermittelt in ihr aufkeimte. Schließlich gelang es ihr, mit einem Griff die Zugschnur zu lösen, die den Beutel zusammenhielt. Der Inhalt fiel vor ihr auf den Ladentisch. Eine dicke, fingerlange Locke aus ihrem Haar, die im Licht der Kerze kupfrig funkelte. Daneben zwei weitere kleine Gegenstände, die jeweils in ein Stück Wachstuch eingepackt waren. Vorsichtig wickelte sie das erste aus und prallte zurück, als ein von Weingeist durchsetzter Gestank nach Fäulnis ihr in die Nase stieg. Ihre Augen weigerten sich, das zu erkennen, was sie hier zweifelsohne vor sich hatte. In spiritusgefüllten Gläsern anderer Apotheker hatte sie dergleichen schon gesehen. Es war ein menschlicher Embryo, kaum so groß wie ein Daumen. Doch vollständig wurde das Entsetzen erst beim Anblick dessen, was mit Wachs am Kopf des armen toten Wesens befestigt war: eine üppige Strähne von leuchtend hellem Haar. Laura kannte nur eine Frau, deren Haar diese Farbe hatte, und sie hatte sie erst am Vorabend zusammen mit Antonio in einer Gondel sitzen sehen. Würgend schlug Laura das winzige Überbleibsel eines Abortes wieder in das Tuch ein, bevor sie nach dem anderen Päckchen griff. Es war ein wenig kleiner als das erste, und auch hier stank der Inhalt, wenn auch nicht so durchdringend wie der erste, weil der Geruch nach Spiritus fehlte. Laura stieß den Atem aus, als sie sah, was es war. Sie musste sich auf dem Tisch abstützen, weil Abscheu und Entsetzen so übermächtig wurden, dass sie in den Knien einknickte.
    Vor ihr lag das obere Glied eines menschlichen kleinen Fingers, und es war von schwarzer Hautfarbe.
      



  April 1509
     
    Antonio deutete eine Verneigung an, als er Marcello Querini gegenübertrat, und er fragte sich mit leisem Unbehagen, ob man ihm sein Erschrecken ansah.
    Querini sah aus wie eine Karikatur seiner selbst. Sein Gesicht war krebsrot, und mitten auf der Stirn prangte eine große, hässliche Brandblase, die immer noch nässte. Seine Arme waren von den Fingerspitzen bis zu den Ellbogen bandagiert, und auch sein rechtes Ohr war verpflastert. Von seinem Haar waren nur noch abgesengte Stoppeln übrig.
    Am 14. März hatte es im Arsenal einen verheerenden Brand gegeben, der große Teile der Werft vernichtet hatte, ein schwerer Schlag für die Schiffsindustrie Venedigs. Querini hatte Seite an Seite mit den Werftarbeitern darum gekämpft, die beiden neuen Galeeren zu retten, deren Bau seine Compagnia mitfinanziert hatte und die tags darauf vom Stapel laufen sollten. Die Schiffe hatte er vor schlimmeren Schäden bewahren können, doch dabei hatte er sich, ebenso wie die an den Löscharbeiten beteiligten Arsenalotti , üble Verbrennungen zugezogen. Antonio erkundigte sich höflich nach Querinis Befinden, was der Patrizier mit ein paar knappen Bemerkungen abtat.
    Der Hausdiener, der Antonio in den Portego geführt hatte, entfernte sich mit einer Verbeugung, und damit waren Antonio und Querini allein in dem großen Prachtsaal. Antonio wagte kaum, sich genauer umzusehen, denn das hätte ihn zwangsläufig daran erinnert, wie weit er immer noch davon entfernt war, einen eigenen Palazzo zu besitzen. Das Geld hatte er beisammen, wenn auch vielleicht nicht für einen Bau dieser Größe. Aber für ein durchaus akzeptables Patrizierhaus mit Loggien, einem Wassertor, einer Marmorfassade mit Maßwerk und Fenstern aus Muranoglas würde es reichen. Mittlerweile lief ihm jedoch die Zeit davon, und dabei

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