Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
der jungen Dame oder diesem reizenden Mohren hier etwas zustoßen sollte – die Avogadori der Quarantia Criminal könnten das leicht mit früheren Fällen in Verbindung bringen und dort die Ermittlungen wieder aufnehmen. Und sie diesmal in Windeseile erfolgreich zum Abschluss führen. Sämtliche Unterlagen sind immer noch vollzählig vorhanden, an einem Ort, der mir jederzeit zugänglich ist. Es ist lange her, aber kurz genug, um noch den meisten Bürgern dieser Stadt lebhaft im Gedächtnis zu sein.«
Cattaneos Gesicht wurde ausdruckslos, doch Carlo erkannte die Angst im Blick seines ehemaligen Gebieters. Und noch etwas war dort zu sehen: Verzweiflung über die Dunkelheit in seiner eigenen rabenschwarzen Seele. Eine Verzweiflung, die Giacomo bisweilen heimsuchte, ebenso wie die Erinnerung an frühere Zeiten, der auszuweichen er nach Kräften trachtete. So lange, bis ihn seine Vergangenheit wieder einholte und ihn dazu trieb, zu heimlichen Exzessen zu verschwinden, von denen man nur ahnen konnte, wie furchtbar sie waren. Carlo war sicher, dass Querini vorhin hierüber gesprochen hatte, ohne die Dinge beim Namen zu nennen. Cattaneo musste sich scheußlicher Verbrechen schuldig gemacht haben, und Querini wusste darüber Bescheid.
Carlo schaute nicht zurück, als er seinem neuen Herrn folgte. Unten im Vestibül stand ein großer, schlanker Mann, dessen Kleidung ihn als höhergestellten Bediensteten auswies. Seine Handschuhe und Stiefel waren aus feinstem Leder und sein Wams aus burgunderfarbenem Samt mit Goldtressen. Es waren dieselben Farben, in denen die Gondel geschmückt war, die Carlo vorhin von der Loggia aus vor dem Wassertor des Palazzo hatte anlegen sehen. Der Mann trug einen Degen, und nichts an seiner Haltung ließ darauf schließen, dass er ein Untergebener war. Zu seinen Füßen stand eine kleine Truhe.
»Bartolomeo, du kannst zur Tat schreiten«, sagte Querini. »Achte darauf, das Haus nicht ohne die Besitzurkunde zu verlassen. Ich warte beim Boot auf dich. Sieh zu, dass es keine Schwierigkeiten gibt.«
»Und wenn, werde ich sie meistern.« Bartolomeo bleckte zwei Reihen ebenmäßiger Zähne. »Gerne auch mit dem Schwert.«
Querini lachte leise. »Ein andermal. Heute bist du lediglich mein Kämmerer und gibst Giacomo das Geld. Er braucht es furchtbar dringend, der arme Mensch.«
Carlo folgte ihm durch die Pforte ins Freie und von dort über die Gasse zum Kanal, wo das Boot Querinis vor den seitlichen Stufen der Arkaden dümpelte. Ihm brannten ungezählte Fragen auf der Zunge, doch er sagte sich nicht ohne Selbstironie, dass es vermutlich einen schlechten Eindruck machen würde, wenn er seinen neuen Herrn damit bestürmte, bevor noch der Kaufpreis für die Ware vollständig gezahlt war.
Querini ließ sinnend die Blicke über die Fassade von Querinis Palazzo schweifen. Er deutete auf die Fresken.
»Ich fand diese Malerei schon immer ausgesprochen düster. Unchristliche Mythen, Bacchanalien – eigentlich sollte das in hellen, fröhlichen Farben dargestellt werden.«
Carlo betrachtete den Faltenwurf am Gewand einer Nymphe, die dem Gott Dionysos eine Schale mit Wein reichte. Die Nymphe schien sich dem Gott zuzuneigen, gleichzeitig aber fliehen zu wollen, und diese Zerrissenheit drückte sich nicht nur in der Haltung, sondern auch im Gesicht der Figur aus. Ein Anflug von Verzweiflung schien ihr anzuhaften, doch auch der Gott wirkte in all seiner trunkenen Machtfülle verletzlich und zwiespältig. Er streckte die Hand nach der Nymphe aus, als wolle er sie zu sich heranziehen, sie zugleich aber warnen, ihm zu nahe zu kommen.
»Giacomo erwähnte einmal, der Maler habe genau seinen Geschmack getroffen«, meinte Carlo.
»Natürlich«, sagte Querini. »Er sieht sich hier selbst aufs Beste verewigt.« Er runzelte die Stirn. »Wusstet Ihr, dass Zorzo da Castelfranco das gemalt hat?«
Carlo nahm überrascht die höfliche Anrede zur Kenntnis, während er auf die Frage Querinis zögernd nickte. Er kannte fast alle Werke des Malers, dessen Genialität für ihn außer Zweifel stand. Seinen Mentor und Lehrer Bellini, den alle Kunstkenner der Stadt priesen, stellte Zorzo da Castelfranco mit Leichtigkeit in den Schatten. Alles, was er brauchte, war ein wenig Zeit, um seinen Ruhm zu festigen, dann würde sein Stern den aller anderen Maler seiner Zeit überstrahlen.
»Wisst Ihr, ich hatte eigentlich vor, das Haus zu kaufen und nicht den Diener«, sagte Querini belustigt. Die Narben seiner Brandverletzungen
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