Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
das. Unsere Ehe war außerdem ziemlich schlecht, man kann es nicht anders sagen. Am Ende lief es darauf hinaus, dass ich froh war, wenn ich wieder verreisen konnte.«
»Ihr hättet Euch von ihr scheiden lassen können. Ich weiß, dass es bei den Juden diese Möglichkeit gibt.«
Er lachte, kurz und bitter. Es klang wie das Krächzen eines alten Raben. »Daran habe ich tatsächlich gedacht. Jedenfalls, nachdem ich Rachel begegnet war. Doch da war es zu spät. Bei einer unserer seltener gewordenen Zusammenkünfte hatte Elsa empfangen, und bald darauf wurde Isacco geboren.«
»Sie wusste von Eurer Geliebten?«
»Ich machte nie den Versuch, es ihr zu verheimlichen. Rachel war mehr als nur irgendeine Zerstreuung für mich. Sie war die große Liebe meines Lebens, und ich stand zu ihr, vor Gott und der Welt. Nur meinen Namen konnte ich ihr nicht geben, denn der Ehestand musste uns versagt bleiben.« Er sprach mit stiller Würde, und jeder Regung seines Gesichts war die innige Liebe anzusehen, die er für diese Frau empfunden hatte.
»Was ist mit ihr geschehen?«
»Sie starb bei der Geburt unseres ersten und einzigen Kindes.«
Laura biss sich auf die Lippen vor Anspannung. »Was ist aus dem Kind geworden?«
»Sara? Sie war mein ein und alles. Rachels Eltern wollten sie nicht, sie hatten ihre Tochter verstoßen. Ich nahm die Kleine also mit nach Mestre. Nach Venedig konnte ich sie nicht bringen, damals durften hier keine Juden leben. Elsa ließ sich taufen, sie wollte um jeden Preis hierbleiben. Oder besser: Sie wollte um jeden Preis verhindern, mit der Schmach meiner Verfehlung konfrontiert zu werden, und das war nur hier gewährleistet, in einer Stadt ohne jüdische Gemeinde. Sie hat meine Besuche geduldet, denn sie lebte von meinem Geld, aber sie blieb stets abweisend und war voller Hass. Ich habe mich dennoch um Isacco bemüht, schließlich ist er mein Sohn. Ich habe ihn immer aufrichtig geliebt und wollte ein gutes Auskommen mit ihm.«
Laura holte erschüttert Luft. »Er hat zu seiner Mutter gehalten.«
»Das hat er getan. Er hat sogar den neuen Glauben angenommen, wenn auch sicherlich nicht mit derselben Leichtherzigkeit wie seine Mutter. Viele von seinen inneren Konflikten rühren daher, dass er ein weit besserer Jude wäre als der Christ, der zu sein er vorgibt.«
»Was meint Ihr damit?«
Mosè hob die Hände, doch er sagte nichts mehr. Offenbar hatte das Reden ihn erschöpft. Laura bemerkte abermals, wie trocken und rissig seine Lippen waren, und augenblicklich schalt sie sich für ihr Versäumnis. Sie eilte zu dem Korb, den sie vorhin beim Hereinkommen neben der Tür abgestellt hatte, und nahm den Krug heraus, den sie mit frisch aufgebrühtem Salbeisud gefüllt hatte. Sie zog den Stöpsel heraus und sah sich nach einem Trinkgefäß um, doch Mosè hatte bereits eine Flasche hinter seinem Sessel hervorgezogen. Er hob sie, so weit er konnte, aber es reichte nicht. Sie half ihm und öffnete die Flasche, und weil er aus eigener Kraft nicht trinken konnte, setzte sie ihm die Flasche an die Lippen. Der Geruch von kräftigem Wein erfüllte die Kammer, und Laura blickte stirnrunzelnd auf den von ihr mitgebrachten Krug. »Nun ja, Ihr könnt auch später davon trinken. Von dem Sud, meine ich. Er ist sehr gut gegen den Husten.«
»Gegen diesen Husten hilft nur noch eins«, sagte Mosè. »Ein rascher Tod.«
Erschrocken schaute sie ihn an, doch als sie bei ihm die Andeutung eines listigen Lächelns bemerkte, wurde ihr klar, dass er einen Witz auf eigene Kosten gemacht hatte.
»Lebt Eure Tochter noch?«
Er schüttelte den Kopf, den Blick versunken auf seine Hände gerichtet. »Sie starb vor zehn Jahren an einem schweren Fieber. Ich war auf Reisen und konnte nicht bei ihr sein.« Er hielt inne, bevor er stockend weitersprach. »Wenn ich mir etwas vorwerfe, dann allein das. Dass ich sie nicht in meinen Armen halten konnte, als sie gehen musste.« Er hustete kurz und fügte dann hinzu: »Sie wäre heute in deinem Alter, weißt du.«
»Es tut mir leid«, sagte Laura hilflos.
Er rang schweigend nach Luft, und Laura begriff, wie viel Kraft ihn diese Unterhaltung gekostet hatte. Kraft, die er nicht mehr besaß. Jeder Atemzug musste für ihn die reinste Qual sein. Aus seiner Brust drang ein Pfeifen und Ziehen wie von einem zerlöcherten Blasebalg. Laura hatte den Tod lange nicht mehr auf diese unmittelbare Weise kommen sehen, doch mit einem Mal war es wie damals, als sie das Unheil über ihre Eltern hatte herabsinken
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