Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
Wein funkelte, und gab ihn Laura. »Hier, trink. Du siehst aus, als könntest du einen Schluck vertragen.«
Sie gehorchte und trank von dem Wein, dessen üppige Süße vom erlesenen Geschmack des Königs kündete. Schon beim vorangegangenen Bankett war deutlich geworden, dass er keine Kosten und Mühen scheute, seine Gäste aufs Vornehmste zu bewirten.
Laura spürte Zuanes Blicke auf sich. Er stand bei einem der venezianischen Diplomaten und unterhielt sich mit ihm, doch seine Aufmerksamkeit richtete sich nach wie vor auf Laura. Er hob die Hand und winkte ihr kurz zu, wie in einem stillen Einvernehmen, dass sie sich wiedersehen würden. Zögernd erwiderte sie sein Lächeln, wohlwissend, dass sie ihn so bald nicht wieder unter vier Augen sprechen würde. Vielleicht sogar nie mehr. Seufzend gab sie Antonio den Weinpokal zurück.
Er war ihren Blicken gefolgt. Seine Miene verfinsterte sich, doch bevor er etwas sagen konnte, kam sie ihm zuvor.
»Bitte glaub mir einfach, dass er nichts Übles im Schilde führt. Und ich schon gar nicht. Er ist einfach ein guter Freund, mehr nicht.« Sie dachte kurz nach. »Vielleicht stellst du dir einfach vor, es wäre wie zwischen dir und Valeria.«
Das schien ihn nicht milder zu stimmen, im Gegenteil. Sein Gesicht wurde rot vor Zorn. Er drückte kurzerhand einem verdutzt dreinschauenden Gast den halbvollen Weinpokal in die Hand, dann nahm er Lauras Arm und zog sie aus dem Saal.
»Was soll das?«, fragte sie beunruhigt. »Warum bleiben wir nicht hier?«
»Das wirst du gleich erleben.«
Antonio ging ruhelos in der Kammer auf und ab. Laura war schon vor einer Weile eingeschlafen; sie lag in der Mitte des großen Pfostenbettes, die entblößten Glieder von sich gestreckt und das Haar wie eine flammende Lache unter ihrem Kopf und ihren Schultern. Das Licht der Kerze, die neben dem Bett brannte, ließen züngelnde Reflexe über ihre Gestalt huschen. Ihre Haut schimmerte in dem matten Licht, so hell und durchscheinend wie bei einer Quellnymphe. Der feurige Gegensatz, den ihr ausgebreitetes Haar dazu bildete, erschien Antonio ebenfalls als passende Allegorie. Die rote Leuchtkraft stand für ihr Ungestüm, aber auch für ihre Unerschrockenheit und ihren unbezähmbaren Lebenshunger.
Die Wildheit, mit der sie sich vorhin geliebt hatten, erfüllte ihn mit Genugtuung, aber sie erschreckte ihn auch. Er war, kaum dass sie die Kammer betreten hatten, wie ein Verrückter über sie hergefallen. Ganz gegen seine sonstigen Gepflogenheiten in diesen Dingen hatte er ihr das Kleid vom Leib gezerrt und sie zum Bett gedrängt, als sei das, was er dort zu vollziehen gedenke, kein Akt der Zuneigung, sondern etwas, was er augenblicklich hinter sich zu bringen hatte, getrieben von Wut und dem zügellosen Drang, sich und ihr etwas zu beweisen. Er hatte sie genommen, denn er wollte ihr zeigen, wer von ihnen beiden mehr Macht hatte.
Er seufzte in der Erinnerung daran, wie wenig ihm das gelungen war. O ja, er hatte ihr seinen Stempel aufgedrückt, hatte sie seiner Lust unterworfen und sie zu der seinen gemacht, wie schon so viele Male zuvor. Aber sie hatte ihm mit gleicher Münze heimgezahlt und ihn auf dieselbe Weise bezwungen. Sie hatte ihn gepackt und gebissen und ihre Nägel in seinen Rücken gegraben, hatte ihm mit ihren Fersen auf die Schenkel getrommelt und spitze Schreie ausgestoßen, während sie sich wie Tiere ineinander verkrampft hatten, bis niemand mehr von ihnen beiden gewusst hatte, wo der eigene Körper war und wo der des anderen. Sie hatten sich zu einem einzigen Wesen verbunden, angestachelt von roher Begierde – und dem tiefgehenden Bedürfnis, zu einem Gleichgewicht zurückzufinden, das sie aus unerklärlichen Gründen verloren hatten.
Es war warm im Zimmer, fast heiß. Der Kaminofen hatte den ganzen Abend über gebrannt. Antonio verlangte es nach frischer Luft. Er öffnete das Fenster und stieß den Laden auf. Unten im Hof, zwei Stockwerke tiefer, leuchteten Fackeln. Von den nahen Stallungen drang ein kräftiger, aber nicht unangenehmer Geruch nach Pferdemist herauf. Ein Hauch von Holzasche lag in der Luft, durchzogen von den milderen Aromen aus der Palastküche, wo sich die Bediensteten vermutlich immer noch an den Überresten der königlichen Mahlzeit gütlich taten.
Eine Gestalt lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich. Es war eine Frau in einem pelzverbrämten Kapuzenmantel, die unter einem der Torbögen hervor ins Freie getreten war. Ihr auf dem Fuße folgte ein Mann, wesentlich
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