Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
Wein nachschenkte. »Wenn also das Kind weiß ist, bin ich der Vater.«
Sie hob die Brauen und nahm eine Feige aus einer Schale. »Du tust so, als wäre das ein weltbewegendes Ereignis. Hast du nicht genug andere Kinder?«
»Ich habe keinen Erben«, erwiderte er sachlich.
Damit sprach er etwas aus, von dem sie wusste, dass es einer der wenigen wirklich wunden Punkte in seinem Leben war. Nicht nur in diesen Tagen, sondern seit er ein junger Mann war. Er hatte jahrzehntelang hart geschuftet und ein Handelsimperium aufgebaut, mit dem sich in der ganzen Serenissima nur eine Handvoll anderer Compagnie messen konnten. Doch er hatte keinen legitimen Nachkommen, dem er all seinen Reichtum und die blühenden Geschäfte hinterlassen konnte. Sein unehelicher Sohn Zuane war charmant, aber ansonsten höchstens dazu geeignet, in eleganter Kleidung oder zu Pferde eine gute Figur zu machen. Eine Art nobler Parzival, der in hundert Jahren nicht die Fähigkeit entwickeln würde, seinem Vater auch nur annähernd das Wasser zu reichen. Zu allem Überfluss war Querini von Anfang an die Möglichkeit verwehrt gewesen, Zuane zu legitimieren, was sicherlich am meisten an ihm nagte.
»Ich will dich heiraten«, sagte Querini unvermittelt. »Wenn das Kind weiß ist und ein Junge, wirst du meine Frau. Und zwar sofort nach der Geburt.«
Valeria starrte ihn ungläubig an, dann warf sie den Kopf zurück und lachte, bis ihr die Tränen kamen. »Verzeih«, prustete sie schließlich. »Aber das war eben gar zu absurd!«
Er trank von dem Wein und betrachtete sie mit unergründlicher Miene. »Es ist mein voller Ernst.«
»Mein guter Marcello, du bist verheiratet! Was soll das werden? Bigamie?«
Sie merkte, wie er erstarrte, und sogleich verfluchte sie sich, weil sie den Fehler begangen hatte, ihr Wissen preiszugeben. Doch statt zu leugnen, trat er sofort die Flucht nach vorn an und legte seine Karten offen auf den Tisch. »Nur wenige Menschen wissen, dass meine Frau noch lebt. Wie hast du davon erfahren?«
»Du sagtest selbst, dass Venedig eine Stadt voller Augen, Ohren und Münder ist.«
Er nickte. »Es stimmt. Aber Angelica liegt im Sterben. Sie wird diesen Monat wohl kaum überleben.«
»Du hast nicht etwa vor, ihrem Ableben nachzuhelfen?«, fragte Valeria mit boshaftem Spott. Sie konnte sich diese Bemerkung nicht verkneifen, nicht nach dem, was ihr im Laufe der letzten Wochen zugetragen worden war. Besonders Carlo hatte, wie es schien, seine Augen und Ohren überall, und diese besondere Information hatte sie von ihm erhalten. Was Querini sagte, traf zu. Angelica Querini war so gut wie tot, es war höchst unwahrscheinlich, dass sie den Juni noch erlebte.
»Schon gut«, sagte sie friedfertig. »Wenn du sie je hättest tot sehen wollen, wäre sie es vermutlich längst.«
»Es freut mich, dass du diese Offensichtlichkeit erkennst.«
»Und wenn ich während der Ehe krank werde?«, fragte sie mit seidenweicher Stimme. »Geschieht dann dasselbe mit mir wie mit Angelica? Wirst du mich verstoßen?«
»Ich werde dich bei der Heirat mit einem großen Vermögen ausstatten, das dir allein zur Verfügung steht. Du bekommst alles, was du willst. Damit hast du jede Sicherheit, die du für den Rest deines Lebens brauchen wirst, ob du es nun mit mir oder ohne mich verbringst.«
»Ich muss also nur einen weißen Sohn zur Welt bringen«, meinte sie in nachdenklichem Ton. Ironisch fügte sie hinzu: »Was für eine goldene Gelegenheit! Ich könnte die Ehefrau eines der reichsten und mächtigsten Männer der Republik werden!« Sie kicherte. »Vor gar nicht allzu langer Zeit, sogar noch im letzten Jahr, habe ich mich darüber geärgert, dass ich mich nicht mit Antonio bessergestellt habe. Gelegenheit dazu hätte ich gehabt, musst du wissen. Wenn ich nur ein bisschen früher ein bisschen schlauer gewesen wäre! Dass er das Zeug zum Helden hat, wusste ich schon immer, und dass er sich aufs Geldmachen versteht, ebenfalls. Aber er bietet mehr, sehr viel mehr. Nämlich Liebe! Wahre, reine, unzerstörbare Liebe. Er liebt diesen dickköpfigen kleinen Rotschopf, den er zur Frau genommen hat, über alle Maßen. Ob sie ihm dereinst Kinder schenkt oder nicht – sie ist ihm teurer als sein Augenlicht, war es schon immer, von Anfang an. Sie sind wie Erde und Mond, zwei umeinanderkreisende Trabanten, die vom selben Stern bestrahlt werden. Vom Licht ihrer gemeinsamen Liebe.« Valerias Stimme wurde hart. »Kannst auch du mir das bieten, Marcello?«
Er hob die Brauen.
Weitere Kostenlose Bücher