Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
und biss dann von dem kandierten Törtchen ab, das sie in der Hand hielt. Sie deutete auf die Speisen, die vor ihr auf dem Tisch standen. »Wenn ich dir etwas anbieten kann ...«
»Danke, aber ich habe schon gespeist.«
»Ein Glas Wein?«
»Gern.«
Sie winkte dem Diener, der mit stoischer Miene in der offenen Tür stand. Er hatte Anweisung, sie keinen Moment aus den Augen zu lassen, es sei denn, sie befahl es ausdrücklich. »Schenk Messèr Querini ein Glas Wein ein.«
Der Diener gehorchte, ohne eine Miene zu verziehen. Valeria hatte ihn in der Art eines Haremswächters ausstaffiert, mit Pumphosen, Turban und bestickter Weste, damit er ihren Besuchern nicht allzu viel Furcht einjagte. Doch die malerische Verkleidung konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass er überdurchschnittlich groß und muskulös war. Man hatte Valeria über ihn erzählt, dass er mit einem einzigen beiläufigen Griff einem Mann das Genick brechen konnte. Sie hatte es auch ohne nähere Beweise geglaubt. Ihr reichten die kalte Entschlossenheit, die in seinen Augen stand – und der blinkende Säbel, der, nur scheinbar dekorativer Bestandteil seiner Kostümierung, stets griffbereit an seiner Seite hing.
Er reichte dem Besucher einen gefüllten Weinpokal und bezog dann wieder Posten im Portego.
»Du kannst die Tür schließen und nach unten gehen«, sagte Valeria.
Wieder gehorchte er wortlos. Valeria und Querini waren allein.
»Du siehst gut aus«, sagte Querini. »Bildschön wie immer.«
»Danke.«
Diese Gesprächseröffnung glich jenen bei ihren anderen bisherigen Begegnungen.
Der Prokurator war immer freundlich, aber er hatte sie noch nie mit überströmender Herzlichkeit behandelt; sein Interesse an ihrer Person und ihrem Haushalt war eher geschäftlicher Art. Hin und wieder brauchte er sexuelle Entspannung und Informationen über Konkurrenten in der Serenissima, und beides war in ihrem Hause gegen entsprechendes Entgelt zu haben. Er war ein eiskalt kalkulierender, mit allen Wassern gewaschener Kaufmann – ein ähnlicher Charakter wie sie selbst. Es lag ihm im Blut, andere zu manipulieren und in seine Ränke einzubinden. Auch in diesem Punkt fühlte sie sich ihm verwandt. Doch es gab auch eine dunkle, unberechenbare Seite an ihm. Er hatte sie ihr noch nicht gezeigt, doch sie wusste, dass sie existierte. Ihr war nicht ganz klar, wie weit er gehen würde, um seine Interessen durchzusetzen, doch sie ahnte, dass es nicht viele Grenzen für ihn gab. Seine Gefühle hatte er stets eisern unter Kontrolle. Wenn er sie überhaupt einmal zeigte, wusste man nie, ob sie echt oder gespielt waren. Bei ihm hatte man ständig den Eindruck, dass er eine Maske trug, unter der er sowohl böse als auch gut sein konnte. Manche von Valerias Mädchen nannten ihn einen kalten Fisch, andere wiederum waren von seinem Charme entzückt. Er konnte sich so oder so geben – oder vielleicht sogar noch ganz anders sein, wie ihn noch niemand hier kennengelernt hatte. Diese Ungewissheit machte ihn zu einem anstrengenden, aber niemals langweiligen Gegenüber.
Zugleich war er jedoch auch einer ihrer großzügigsten Gönner, und sein Benehmen war stets formvollendet. Außerdem war er ein guter Liebhaber, dem daran lag, dass seine Gefährtinnen den Akt ebenso genossen wie er selbst. Dergleichen konnte Valeria ansonsten über kaum einen der vielen Männer behaupten, die sie seit ihrer frühen Jugend kennengelernt hatte. Sie hatte ihr Möglichstes getan, um es ihnen beizubringen, zumindest dem einen oder anderen, an dem ihr lag, doch die weitaus meisten waren und blieben in diesem Punkt unfähig.
Querini ließ sich schweigend in einem Lehnstuhl nieder und beobachtete sie, während er von dem Wein nippte. Im schräg einfallenden Sonnenlicht zeichneten sich die Flecken, die von dem letztjährigen Brand im Arsenal an Gesicht und Händen zurückgeblieben waren, rötlich gegen seine Sonnenbräune ab.
»Wie war es in Florenz?«, fragte sie, um die lastende Stille zu durchbrechen. »Bist du sicher durch die kriegsverseuchten Gegenden gekommen?«
»Es sieht nicht gut in Oberitalien aus«, sagte er. Es klang gleichmütig, doch die Müdigkeit in seinen Augen ließ erkennen, wie groß die Strapazen und Risiken seiner Reise gewesen sein mussten. »Pitiglianis Tod war eine Katastrophe. Gritti kann mit seinen Männern allein den Ansturm der feindlichen Truppen nicht aufhalten. Die Kaiserlichen sind in Friaul und Istrien eingefallen, und die Franzosen stoßen unter dem Kommando
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