Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
Sicherheiten, für die sie nur selbst sorgen konnte.
Unwillkürlich musste Laura an Monna Pippa denken. Die Witwe des Kaufmanns Filacenova hätte den Palazzo mitsamt dem Anbau vielleicht nicht so schnell räumen müssen, wenn sie eigene Einkünfte gehabt hätte. Laura hatte gehört, dass die frühere Nachbarin nach mehreren Umzügen jetzt in einer armseligen Mietwohnung hauste. Ihr letzter überlebender Sohn, inzwischen erwachsen, war auf einer Reise verschollen.
Nach all den Wendungen, die ihr eigenes Leben seither genommen hatte, war Laura die Frau mittlerweile gleichgültig, aber es hatte durchaus Zeiten gegeben, da sie ihr exakt ein solches Schicksal gewünscht hatte.
»Madonna, darf ich fragen, warum Ihr Euch ausgerechnet für mich entschieden habt? Gibt es in Venedig keine guten Apotheker?«
»Niemanden wie Euch«, sagte sie wahrheitsgemäß. »In meinen Augen seid Ihr der Beste.«
Sie hätte ihm sagen können, dass er ein Traumtänzer war und ein Schaumschläger, aber er war auch freundlich, umgänglich und völlig frei von Arg. Und bei alledem war er keineswegs unfähig, im Gegenteil. Ließ man seine alchimistischen Fantastereien einmal außer Acht, verfügte er über profunde pharmazeutische Kenntnisse, die er problemlos aus dem reichen Schatz seiner Erfahrungen kramen konnte, wenn ihrer bedurft wurde. Wenn es darauf ankam – und jemand hin und wieder ein Auge darauf hatte –, konnte er durchaus diszipliniert arbeiten. Und wer wusste es schon – vielleicht entdeckte er eines Tages tatsächlich den viel beschworenen Stein der Weisen. Das Allheilmittel, das Geheimnis des ewigen Lebens, das alle Schrecknisse überwinden würde ...
»Madonna?«
Sie merkte, dass er ihr eine Frage gestellt hatte. »Verzeiht, ich war in Gedanken. Mir geht heute vieles durch den Kopf.«
Er nickte verständnisvoll. »Das wundert mich nicht. Die Zeiten sind hart, und das gilt für eine so tapfere junge Frau, wie Ihr es seid, nicht minder. Glaubten wir noch im letzten Jahr, der Krieg habe sich mit der Rückeroberung Paduas entscheidend zum Besseren gewendet, sehen wir uns in diesen Tagen infolge der neuen Attacken der Franzosen wieder in höchster Gefahr. Ohne den Papst und seine schweizerischen Truppen sind wir verloren, fürchte ich. Als ich herreiste, sah ich die Soldaten bereits in Sichtweite der Küsten aufmarschieren. Wir werden uns auf das Schrecklichste einrichten müssen.« Der alte Apotheker warf sich in die Brust. »Aber keine Sorge, Madonna. Ich werde sterbend mit Euch untergehen!«
Laura erschrak bis ins tiefste Innere, weit heftiger, als seine letzte Bemerkung es gerechtfertigt hätte. Doch die Symbolik, die seinen Worten anhaftete, entfaltete einen eigenen Klang. Eine Zukunft schien sich aus dem Dunkel ihrer Niedergeschlagenheit zu erheben, die weit furchtbarer war als alles, was sie bisher erlebt hatte.
Barnabas kam angesprungen und leckte seinem Herrn die Hand. Silvano tätschelte dem Tier den Kopf, und Laura sah schaudernd, dass das Blut von der Schnauze des Hundes die Finger des alten Apothekers verfärbte. Sie trat einen Schritt zurück, als könne sie so das Unheil leugnen, das sie mit einem Mal wie eine undurchdringliche Wand zu umgeben schien.
Der Hund kam auf sie zugetrottet. Offenbar war ihm eingefallen, dass er sie noch nicht richtig begrüßt hatte. Laura wich hastig zurück, bevor er sie erreichen und ihr, wie es seine Art war, den Kopf gegen den Schoß drücken konnte. »Ich muss fort. Schaut Euch nur allein um, und dann macht es Euch oben in einer der Kammern bequem. Es ist alles für Euch vorbereitet.«
»Aber ...«
»Wir besprechen morgen den Rest«, rief sie über die Schulter zurück, während sie bereits durch den Laden nach draußen eilte. »Ich habe heute noch dringende Geschäfte.«
Das war gelogen. Alles, was sie für den heutigen Nachmittag noch plante, war ein Gang zum Friedhof. Sie hatte die Gräber ihrer Eltern seit ihrer Rückkehr noch nicht besucht, doch natürlich hätte sie es auch leicht auf einen anderen Tag verschieben können. Indessen trieb es sie mit einer Dringlichkeit von hier fort, der sie nichts entgegensetzen konnte.
Tomàso richtete sich auf, als sie ins Freie trat. Er blickte sie aus trüben Augen an, bevor er sich umdrehte, um vorauszugehen. Sie folgte ihm durch die enge Gasse in Richtung Kanal und schaute nicht zurück.
Antonio stieg aus der Gondel und blickte stirnrunzelnd an der Fassade der Ca’ Querini hinauf. Die Abendsonne fing sich in den
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