Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
Geländers umklammernd, mit der anderen ihr Gewand raffend. Sie war im Nachthemd und wirkte sichtlich mitgenommen. Das Haar hing unfrisiert über ihre Schultern, und unter ihren Augen lagen tiefe Schatten. Das Hausmädchen hatte nicht gelogen, was Valerias Hilfsbedürftigkeit betraf. Offensichtlich hatte sie sich nur mit Mühe vom Bett zur Treppe geschleppt.
Er war mit wenigen Sätzen oben und stützte sie, um sie durch den Portego in die Kammer zu führen, wo, wie er wusste, ein großes Bett stand. Das sie vermutlich mit Querini teilte, da sie allem Anschein nach tatsächlich seine Frau war. Antonio mochte es immer noch kaum glauben.
Er erschrak, als sie mit einem leisen Wehlaut neben ihm zusammensackte. Mit raschem Griff hielt er sie fest und hob sie auf die Arme. Erschrocken registrierte er, wie heiß sie sich anfühlte. Sie musste hohes Fieber haben. Widerspruchslos ließ sie sich von ihm in das Gemach des Hausherrn tragen, wo er sie behutsam auf dem gewaltigen Pfostenbett ablegte. Aus den Augenwinkeln registrierte er die Wiege, die vor dem Fenster stand. Sie schaukelte sacht, offensichtlich bewegt durch das Kind, das darin lag. Das Schreien war abgeebbt und einem zornigen Gequengel gewichen, hin und wieder unterbrochen durch laute Schmatzgeräusche. Es klang, als würde das Kind an seinen Fingern nuckeln, weil sich keine vielversprechendere Nahrungsquelle auftat.
»Er hat Hunger«, sagte Valeria leise.
»Dein Sohn?« Es war offensichtlich, aber er fragte trotzdem.
Sie nickte matt.
»Soll ich ihn dir holen?«
»Nein, auf keinen Fall. Ich würde ihn nur anstecken. Außerdem stille ich nicht, sondern die Amme. Aber die ist heute nicht gekommen. Wo ist Moresina?«
»Das Mädchen? Sie hat mir aufgemacht. Eben war sie noch unten. Sie wollte Hilfe holen, wahrscheinlich einen Medicus.«
»Das dumme Ding. Sie sollte sich um eine neue Amme kümmern.«
Valeria blickte aus fiebrigen Augen zu ihm auf. Ihr Nachtgewand war fleckig und verschwitzt, und ihr sonst so seidiges Haar strähnig und wirr. Ihr Teint, immer schon blass, war kreidebleich. Antonio konnte kaum fassen, sie so zu sehen. Sogar in dem Elendsloch, in dem sie früher gehaust hatten, war sie noch unter den unwürdigsten Bedingungen schön gewesen. Niemals hatte sie sich gehen lassen, und wenn nur noch eine Handvoll Soldi übrig waren, hatte sie die lieber für ein Stück Seife ausgegeben als für Brot oder Kerzen. Es hatte sie wirklich schlimm erwischt.
»Ich werde mich gleich nachher um eine Amme kümmern, wenn die Magd keine auftreibt«, versprach er. »Wo ist ... dein Mann?«
»Auf der Terraferma, in Geschäften. Eigentlich sollte er schon seit Tagen zurück sein, aber man weiß nie ... Der Krieg ...« Ihre Stimme wurde schwächer, und sie holte rasselnd Luft. Antonio schob ihr ein Kissen unter den Kopf, damit sie besser atmen konnte.
»Was ist mit den anderen? Zuane, Eugenia? Die Dienerschaft?«
»Zuane ist mit Marcello unterwegs. Und die Diener ... Hier im Haus grassiert das Fieber, ich bin nicht die Einzige, die es getroffen hat. Sie alle sind entweder krank oder nicht gekommen, bis auf Moresina. Und was Eugenia betrifft – die ist hier ausgezogen, als Marcello und ich heirateten.« Valeria lächelte mit rissigen Lippen. »Das war meine Bedingung, weißt du. Eine so unheilige Allianz mit meinem Ehemann hätte ich niemals dulden können.«
»Was meinst du?«, fragte Antonio angespannt. Mit einem Mal meinte er, scheußliche Zusammenhänge zu ahnen.
»Inzest«, sagte Valeria. Sie griff nach einem Tuch, das neben ihr auf dem Kissen lag, und wischte sich das Gesicht ab. »Ich bin so durstig. Kannst du mir was holen?«
Antonio eilte zu dem großen Tisch, auf dem ein Krug mit verdünntem Wein stand. Er goss einen der bereitstehenden Becher voll und brachte ihn zum Bett.
»Erklär mir das näher«, sagte er.
»Zuane ist nicht nur Marcellos Sohn, sondern auch der von Eugenia. Mit anderen Worten: Marcello hat es mit ihr getrieben. Und sie mit ihm. Mit ihrem eigenen Bruder.«
Antonio half Valeria dabei, sich aufzurichten, damit sie trinken konnte. Ein Teil des mit Wasser verdünnten Weins lief ihr übers Kinn und durchfeuchtete den vorderen Teil ihres Nachtgewandes. Rötliche Flecken gesellten sich zu den anderen, die schon dort waren.
»Das ist nicht die Art von Verfehlung, die ich ihm zugetraut hätte«, meinte Antonio zweifelnd.
»Es ist aber so.«
»Woher weißt du davon? Er wird es dir wohl kaum erzählt haben.«
»Nein, er
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