Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
ihrem Schoß und stand hastig auf. Ihr Herz klopfte so hart, dass es ihr fast die Luft nahm. »Um mir was zu sagen?«
Er starrte sie an, ganz offensichtlich so verängstigt, dass ihm die Worte fehlten.
»Heraus damit, Junge«, rief die Küchenmagd.
Ihre barsche Stimme ließ ihn zusammenzucken, doch anscheinend trug die Aufforderung dazu bei, dass er seine Stimme zurückfand.
»Raffaele kam an die Tür meiner Kammer und machte sie auf. Nur einen Spalt, und er blieb draußen stehen. Er fragte: Junge, wie fühlst du dich?« Matteo stockte.
»Weiter«, drängte Mansuetta. Angst stieg in ihr auf, namenlose Furcht, und mit einem Mal wusste sie, dass oben im dritten Stock etwas Grauenhaftes geschah.
»Ich sagte, dass ich mich gut fühle. Dass ich noch müde bin, aber sonst guter Dinge. Ich fragte, warum er das wissen will. Er sagte, dass das nichts zur Sache tut und dass ich jetzt aufstehen und runtergehen soll. Dann hörte ich Pieros Stimme. Eigentlich war es keine Stimme, nur ein Husten. Er hustete und hustete, und dann hörte er auf. Dann sagte Tomàso was. Ich glaube jedenfalls, dass es Tomàso war. Es könnte aber auch Oratio gewesen sein. Die beiden haben ganz ähnliche Stimmen. Weil sie Zwillinge sind.«
»Was hat er gesagt?«, fuhr die Küchenmagd dazwischen.
Mansuetta funkelte sie wütend an. Sie war genauso ungeduldig, den Rest zu erfahren, doch es ging nicht schneller, wenn man Matteo zusätzlich unter Druck setzte. Dass der Kleine sich in einem Ausnahmezustand befand, konnte niemandem entgehen. Er schlotterte vor Angst und Entsetzen, und nun sah Mansuetta auch trotz ihrer schlechten Augen, wie bleich er war. »Was sagte Tomàso, mein Kleiner?«, fragte sie betont sanft.
»Er sagte: Ich glaube, den Lehrer hat’s erwischt. Der ist hinüber. Raffaele sagte darauf: Was ist mit dir und deinem Bruder? Darauf Tomàso: Was dachtest du denn, he? Glaubst du etwa, wir bleiben ungeschoren?«
»Ungeschoren wovon?«, fragte die Küchenmagd verständnislos.
»Tomàso sagte, dass er Durst hat und dass er jetzt runtergeht, um was zu trinken, und dass er sich von niemandem daran hindern lässt. Darauf sagte Raffaele das mit den verdammten Hurensöhnen und dem Schwert. Anschließend sagte er zu mir: Geh runter, Junge, ganz schnell. Sag es Monna Mansuetta, ich weiß, dass sie schon auf ist. Sag ihr, wir hier oben haben es alle. Alle außer dir.«
Matteo deutete auf seine Brust. »Damit meinte er mich. Raffaele sagte: Hier oben sind die Verdammten.«
Die Küchenmagd brach in Tränen aus und bekreuzigte sich. »Die Verdammten? Was meinte er damit? Was ist denn geschehen? Ist der Teufel aus der Hölle gekommen und weilt nun unter uns?«
»Ich fragte ihn, was er mit Verdammnis meint. Da sagte er, es ist der Schwarze Tod.«
Die Küchenmagd stieß einen schrillen Schrei aus und taumelte gegen die Wand, wo sie sich abstützte und in lautes Wehklagen ausbrach. Mansuetta hinkte zur Tür, instinktiv die Richtung zur Treppe einschlagend, doch dann besann sie sich. Raffaele hatte sich nicht umsonst die Mühe gemacht, diese häusliche Quarantäne ins Leben zu rufen. Die Kranken waren oben, und sie hier unten. Von ihnen war niemand krank, jedenfalls bisher nicht. Doch wenn sie hinaufging, konnte sich das sehr schnell ändern.
Bevor sie überlegen konnte, was weiter zu tun war, kam Antonio mit gewaltigen Sätzen die Treppe herabgesprungen. Sie wandte schamhaft die Augen zur Seite, als sie sah, dass er splitterfasernackt war. Ihr Schwager sah aus wie ein urzeitlicher, muskelbepackter Krieger – was er wohl in diesem Moment auch war, denn er trug sein blankgezogenes Schwert in der Rechten, bereit, jeden feindlichen Eindringling auf der Stelle aufzuspießen.
Er blickte sich wild um. »Wer hat hier geschrien?«
»Die Küchenmagd«, stammelte Mansuetta, die nicht wusste, wo sie hinschauen sollte.
»Was ist geschehen? Ist jemand gekommen?«
Sie nickte mit trockenem Mund und vor Angst rasendem Herzen. Ja, es war jemand gekommen. Rasch, über Nacht und auf lautlosen Sohlen. Doch dieser Feind ließ sich nicht mit dem Schwert bekämpften.
Leise sagte sie: »Wir haben die Pest im Haus.«
Sie waren nicht die einzige Familie, die betroffen war. Schon kurze Zeit nachdem Antonio die Küchenmagd losgeschickt hatte, um Simon, den Arzt zu holen, spielten sich draußen entlang der Kanalufer und auf dem gegenüberliegenden Platz Szenen ab, die das Schlimmste befürchten ließen. Eine der beiden Frauen, die Laura noch in der Morgendämmerung
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