Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
einzudringen, fragte er sich flüchtig, ob sie wohl durch das Kind hässlich werden würde. Es ging ihm dabei nicht darum, dass er sich vor Veränderungen ihres Körpers fürchtete, sondern dass sie womöglich darunter leiden würde, so wie Valeria. Er wusste, dass Schwangerschaften den weiblichen Körper zeichneten und dass Laura nach der Geburt vielleicht nicht mehr so aussehen würde wie zuvor. Dennoch war er überzeugt, dass er nicht aufhören würde, sie zu begehren, mochten ihre Brüste auch irgendwann hängen und ihr Fleisch narbig werden. Und er würde es ihr bei jeder Gelegenheit beweisen, sodass sie gar nicht erst anfangen konnte, sich ihres Körpers zu schämen. Er überlegte, ob er es ihr sagen sollte, doch dann fand er den Gedanken absurd, denn noch nie im Leben war sie ihm herrlicher erschienen als gerade jetzt. Er schaute sie an und erlebte dabei einen Moment höchster Klarsichtigkeit. Mit einem Mal wusste er ohne jeden Zweifel, dass sie für ihn immer schön sein würde.
Laura wachte im Morgengrauen auf, ohne dass sie hätte sagen können, was sie geweckt hatte.
Schweigend genoss sie die Wärme von Antonios Körper. Sie atmete seinen Geruch ein, der sich nun mit dem ihren mischte, Zeugnis einer langen Nacht, in der sie sich geliebt hatten, als gäbe es kein Morgen. Sein Profil neben ihr war ein schwacher Umriss, dunkel im Zwielicht des Zimmers. Die kühn gebogene Nase, das energische Kinn. Das zerzauste Haar, die Flächen seiner Schulter und des Oberarms, mit denen er sie von allem abzuschirmen schien, was sich außerhalb des Bettes befand.
Sie bemühte sich, ihn so wenig wie möglich zu stören, während sie aus dem Bett schlüpfte. Er murmelte etwas vor sich hin, drehte sich auf die andere Seite und schlief weiter. Laura lächelte, als sie sein leises Schnarchen hörte.
Im Haus war es noch still; weder die Küchenmagd war auf noch Mansuetta, die meist beide bereits beim ersten Hahnenschrei ihr Tagwerk begannen. Doch noch hatte kein Hahn gekräht, die Glocken hatten noch nicht zur Prim geläutet, und bis zum Sonnenaufgang würde es noch eine Weile dauern. Es war jedoch nicht mehr ganz dunkel; vor den offenen Fenstern war bereits jener matte Dunst aufgestiegen, in den sich eine Ahnung von Morgenröte mischte, erhellt vom Licht des Horizonts, hinter dessen Rändern sich bald der Tag erheben würde. Nebel lag draußen über dem Kanal, und in den tiefen Schatten entlang seiner Ufer versteckten sich noch die Winkel der Gassen und die Stufen der Fondamenta.
Laura stand am offenen Fenster und blickte hinaus. Hier und da war vereinzeltes Vogelgezwitscher zu hören, leise und zögernd, als wäre der Tag noch zu fern, um ihn zu begrüßen. Unten auf dem Kanal trieb ein Boot vorbei, vorwärtsgestakt von dem Gondoliere, dessen Gesicht im Licht der auf dem Rumpf befestigten Laterne dämonisch wirkte. Als er auf Höhe des Hauses war, war zu hören, dass er ein kleines Liedchen auf den Lippen hatte, leise und traurig wie die verschwimmenden Schatten, die noch von der Nacht übrig waren. Als spürte der Mann, dass er beobachtet wurde, schaute er an der Fassade des Palazzo hoch und sah sie am Fenster stehen. Ein Lächeln spielte um seinen Mund, und für einen Moment war sein Gesicht hell und froh.
Es schien fast, als habe er mit diesem Lächeln endgültig den Beginn des Tages freigegeben, denn mit einem Mal mehrten sich allenthalben die Anzeichen von Geschäftigkeit. Auf der gegenüberliegenden Fondamenta tauchten zwei Frauen auf. Sie trugen Kübel, um an der Zisterne, die sich mitten auf dem Campo befand, Wasser zu schöpfen. Aus der Ferne war nun auch der erste Hahnenschrei zu hören, und gleich darauf ein zweiter, als hätte dieser Morgenbote nur darauf gewartet, dass jemand den Anfang machte.
Aus dem Untergeschoss drangen Geräusche herauf, an denen erkennbar war, dass entweder die Köchin aufgestanden war oder Mansuetta, die meist genauso früh ihren Tag begann. Aus Richtung des Abtritts war ein Türenschlagen zu hören, und kurz darauf ertönte aus der Küche das Geklapper von Töpfen.
Mansuetta hatte ebenso wie die Magd ihre Schlafkammer im Mezzà , da sie von dort aus am wenigsten Treppen steigen musste. Die übrigen Bewohner verteilten sich auf die beiden oberen Stockwerke. Laura und Antonio unterhielten ihre Räume im Piano nobile, so wie es sich für Herrn und Herrin des Hauses geziemte. Das darüber befindliche Stockwerk war über eine eigene Außentreppe zu erreichen; dort hatten Matteo, Piero
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