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Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Titel: Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Der Ruderführer streckte instinktiv die Hände aus, um sie zu stützen, doch als sie sich eilig auf die Bank setzte, starrte er sie perplex an und öffnete den Mund, um zu protestieren. »Was zum Teufel willst du ...«
    »Bitte«, fiel sie ihm ins Wort. »Ich habe es nicht weit, sicher liegt es an Eurem Weg! Ich war mit meinem Bruder spazieren und habe mich verlaufen. Es ist schon spät, bald ist es völlig dunkel, und bestimmt machen meine Eltern sich schon furchtbare Sorgen, weil ich noch nicht nach Hause gekommen bin!« Sie starrte zu dem näher kommenden Diener hinüber, während das Boot bereits von der Anlegestelle wegtrieb.
    Bitte, dachte sie, bitte, bitte, nimm mich mit!
    Ihr Verfolger hatte den Steg erreicht und blieb stehen, einen verblüfften und zugleich zornigen Ausdruck im Gesicht.
    »Ich weiß nicht ...«, hob der Gondoliere zweifelnd an. Er kehrte Cattaneos Diener den Rücken zu und konnte ihn daher nicht sehen. Laura sandte ein weiteres Stoßgebet zum Himmel, dass er endlich zu rudern anfing.
    »Ich habe Geld!« Mit einem Mal waren ihr die Kupferstücke wieder eingefallen, die sie vorhin vom Pflaster aufgeklaubt hatte. Sie zeigte sie dem Gondoliere, der sich daraufhin achselzuckend zur Seite wandte und mit geübten Bewegungen losruderte. »Wohin willst du denn, Mädchen? Ich muss nach Cannaregio.«
    »Ich auch«, stieß sie erleichtert hervor, während sie Matteo schützend an sich drückte. »Genau da will ich auch hin.«
    Bange blickte sie über Matteos Köpfchen hinweg zu Cattaneos Diener hinüber, dessen wütender Gesichtsausdruck trotz der aufziehenden Dämmerung gut zu erkennen war. Doch er machte keine Anstalten, das wegfahrende Boot aufzuhalten. Mit düsterer Miene blieb er an der Anlegestelle stehen und starrte der Gondel hinterher, bis diese die nächste Kanalbiegung erreicht hatte. Laura ließ geräuschvoll den angehaltenen Atem entweichen, als seine gedrungene Gestalt außer Sicht geriet.
    »Wie kommt es, dass ein Mädchen deines Alters so spät noch allein mit einem kleinen Kind in der Stadt unterwegs ist?«, fragte der Gondoliere.
    »Ich habe meine kranke Tante besucht. Das mache ich oft allein, oder genauer, mit meinem Bruder zusammen. Meine Eltern arbeiten in einer Schenke, sie haben keine Zeit dafür, und so schicken sie mich, damit sich jemand von der Familie um die arme Frau kümmert.« Laura hatte bisher nicht gewusst, dass sie so gut flunkern konnte, und sie wunderte sich darüber, dass es ihr nach allem, was ihr heute widerfahren war, so leichtfiel. »Es ging ihr nicht gut, und darüber habe ich die Zeit vergessen. Eigentlich hätte ich schon zur Komplet zu Hause sein müssen, doch ich habe das Läuten wohl nicht gehört.«
    Der Gondoliere schien ihr zu glauben. »Wo genau wohnst du denn in Cannaregio?«, wollte er wissen.
    Laura fuhr bei seiner Frage zusammen. Sie kannte sich in Cannaregio überhaupt nicht aus! Doch dann hörte sie sich zu ihrer eigenen Verwunderung einen Satz sagen, der ihr von irgendwoher zuzufliegen schien. »In einem Mietshaus am Corte Cavallo, in der Nähe der Chiesa Madonna dell’Orto.« Kühner geworden fuhr sie fort: »Im Moment ist es eine Zumutung; vor ein paar Monaten ist bei uns auf dem Dach die Altana abgebrannt. Das ganze Haus ist verrußt, und es stinkt immer noch nach Qualm. Aber sonst kann man nichts gegen das Wohnen und die Leute dort sagen. Wir haben unsere Ruhe.« Mit genau diesen Worten hatte das Mädchen Valeria ihr das Haus beschrieben, in dem sie mit anderen Kindern wohnte. Bestimmt würde sie es finden! Es gab dort einen freien Schlafplatz, an mehr konnte sie im Moment nicht denken. Nur noch daran, sich an einem geschützten Ort niederzulegen, gemeinsam mit Matteo, und zu schlafen, bis alles wieder gut würde.
    Der Gondoliere nahm ihre Schilderung gleichmütig zur Kenntnis, es schien ihn nicht sonderlich zu interessieren. »Du kannst dein Geld behalten«, sagte er. »Für mich ist es kein Umweg.« Seine Arme bewegten sich zügig und gleichmäßig, das lange Ruder mit abgezirkeltem Schwung ins Wasser tauchend und scheinbar mühelos durchziehend.
    Die abendliche Dunkelheit hatte sich nun vollständig herabgesenkt; entlang der Ufermauern und an den Häuserfassaden brannten Fackeln. Ihr flackernder Widerschein überzog die Kanäle und Gassen mit unstetem Licht. Hinter den Fenstern war das milde Glühen von Kerzenschein zu sehen.
    Vereinzelt waren noch Menschen unterwegs, und hier und da begegneten ihnen Gondeln, manche mit schläfrigen

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