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Die Landkarte der Finsternis

Die Landkarte der Finsternis

Titel: Die Landkarte der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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dabei völlig übersehen, dass er doch nur mein Ehemann war … Wir haben uns auf dem Gymnasium ineinander verliebt. Unsere Liebe überstand heil das Studium, und kaum hatte er sein Diplom in der Tasche, haben wir geheiratet. Die Flitterwochen haben wir in Kapstadt verbracht, und genau zwei Jahre danach haben wir uns getrennt«, schließt sie betrübt.
    Â»So ist das Leben«, bemerke ich töricht.
    Â»Weißt du, Kurt«, fährt sie fort und wirft ihre Mähne in den Nacken, »ich liebe ja meine Arbeit über alles. Als junges Mädchen hatte ich zwei Idole. Robert Redford für meine Teenager-Träume und Mutter Teresa. Mein Mann ist an die Stelle Robert Redfords getreten und wollte den Rest einfach ausradieren. Man kann nicht alles im Leben haben, oder?«
    Â»Kommt ganz darauf an, was man will.«
    Â»Ich wollte schon immer Menschen helfen. Solange ich zurückdenken kann, ist das mein Traum gewesen. In meinen Märchengeschichten war ich nie die Prinzessin oder das Aschenputtel, sondern immer nur die Krankenschwester, die den Ärmsten der Armen beisteht. Ich habe mir ausgemalt, wie ich auf den Schlachtfeldern den Verwundeten zu Hilfe eile. Und als ich sah, was Mutter Teresa unter den ›Unberührbaren‹ und Leprakranken zustande brachte, da war mir klar, genau das will ich auch. Und so bin ich beim Roten Kreuz gelandet … Und du? In welchem Frankfurter Krankenhaus arbeitest du?«
    Â»Ich habe meine eigene Praxis.«
    Â»Und deine Frau?«
    Mir stockt fast der Atem, als ich mich sagen höre, dass meine Frau nicht mehr lebt. Doch statt dass ihr das jetzt furchtbar peinlich wäre und sie sich tausendmal entschuldigt wie eigentlich jeder, der ein wenig zu indiskret gewesen ist, bedenkt Elena mich nur mit einem stummen Blick des Mitgefühls. Ich vermute, der langjährige Umgang mit dem Tod hat sie gestählt, so dass sie solche Situationen mit philosophischer Gelassenheit meistert. Ihr forschender Blick versinkt in meinen Augen, schweift über meine Lippen, dann greift ihre Hand nach meiner und hält sie lange fest – ein nahezu mystischer Moment.
    Â»Ich muss jetzt gehen …« Widerwillig mache ich mich los.
    Früh am nächsten Morgen kommt Lotta mich holen. Drei Militärfahrzeuge mit dem Emblem der Afrikanischen Union parken vor dem Verwaltungstrakt. Auf dem Rücksitz, das Gewehr schräg vor der Brust, eine stumme Riege regloser Soldaten in voller Montur. Ein wenig abseits redet ein junger Offizier heller Hautfarbe, der einen Parka in Tarnfarben trägt, mit Christophe Pfer, der immerzu nickt, die Hände auf dem Rücken verschränkt. Auch Bruno ist bereits da und wartet in seiner Verkleidung als muslimischer Scheich voller Ungeduld vor dem Verwaltungsbüro.
    Der Offizier salutiert zunächst stramm, dann reicht er mir die Hand.
    Â»Hauptmann Wadi«, stellt er sich vor, »Befehlshaber des Sonderkommandos Omega, dreißig Kilometer südlich von hier. Ich habe Order, Ihre Sicherheit und die der Delegation, die in zwei Stunden hier landen wird, zu gewährleisten.«
    Â»Doktor Kurt Krausmann, hocherfreut, Sie kennenzulernen.«
    Â»Ich bin froh, dass Sie wohlauf sind, Herr Doktor. Herr Pfer hat mir bereits von Ihrem Missgeschick berichtet.«
    Â»Das nennen Sie ein Missgeschick?«
    Ohne auf meine versteckte Kritik an seiner Sicht der Dinge einzugehen, bittet uns der Offizier, ihm ins Büro zu folgen. Bruno lässt sich mit verdrossener Miene aufs Sofa fallen. Nicht ein einziges Mal sieht er den Offizier an. Er scheint gegen alle Militärs allergisch zu sein, und die Nähe des jungen Hauptmanns ist ihm unangenehm. Ich nehme mir einen Stuhl, während Christophe Pfer sich hinter seinen Schreibtisch verzieht. Der Offizier dagegen bleibt stehen, vermutlich, um seiner Autorität mehr Gewicht zu verleihen. Er ist eher schmächtig, trägt einen militärischen Bürstenhaarschnitt und hat ein hageres, frisch rasiertes Gesicht mit funkelnden grünen Augen, die einen eindrucksvollen Kontrast zu seinem gebräunten Teint abgeben. Er dürfte Araber oder Berber sein.
    Â»Der Hauptmann hat uns informiert, dass das Flugzeug bereits in Khartum gestartet ist«, bemerkt Christophe Pfer, um die Atmosphäre zu entspannen, denn eine durch nichts zu erklärende Befangenheit hängt im Raum.
    Bruno zuckt die Achseln. Er wendet sich an den Verwaltungsleiter, um den Offizier nicht direkt

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