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Die Landkarte der Finsternis

Die Landkarte der Finsternis

Titel: Die Landkarte der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Leben einzubrechen, meine Trauer zu stören und meinen Glauben an die Menschheit zu ruinieren. Ich hatte Lust, laut zu schreien und mich aufzubäumen, den eisernen Ring aus der Verankerung zu reißen, der meine Selbstachtung am Boden hielt, und mit geballten Fäusten draufloszuschlagen. Alles tat mir weh, mein ganzer Leib, mein ganzes Leben, jeder einzelne Gedanke schmerzte mich. Warum war ich in einer bestialisch stinkenden Höhle eingesperrt, die sich irgendwo im Niemandsland befand, zudem mit Schwärmen von Fliegen, die mir ununterbrochen um die Mundwinkel surrten, so dass ich fast verrückt wurde? Mit welchem Recht hatten diese Seeräuber uns von unserem Weg abgebracht, ja unser Schicksal in ihre Hände genommen? Ich war wütend. Wie glühende Lava brodelte der Hass in mir, sonderte in meinem Geist eine Schwärze ab, die mich selbst überraschte. Je länger ich unsere Entführer beobachtete, umso mehr wuchs meine Wut. Alles an ihnen widerte mich an: die wüsten Beschimpfungen, der übertriebene Eifer, dieses Fehlen jeglicher Menschlichkeit. Und ich? Eine gemeine Ware mit ungewissem Geschick war ich, mehr nicht, angekettet, meiner Persönlichkeit beraubt und genötigt, kalten Brei aus einem ekelhaften Napf zu schlürfen. Alles erschien mir unwürdig und absurd, bar jeder Logik und jeden tieferen Sinns, es war zum Verzweifeln an Gott und der Welt. Frankfurt? Mir kam es vor, als wäre die Stadt Lichtjahre entfernt, einer fernen Epoche zu­gehörig, ­irgendwo zwischen Fata Morgana und Sonnenstich. War ich wirklich einmal Arzt gewesen? Wenn ja, wann? Gestern oder in einem früheren Leben? Von heute auf morgen war ich plötzlich ein Nichts – schlimmer, Schmuggelware, die auf dem Schwarzmarkt verschachert werden würde, eine Geisel, deren Zukunft sich beim russischen Roulette entscheiden sollte … Wie erbärmlich! Ich schämte mich meines Gejammers und meiner Krämpfe, meiner ins Leere laufenden Wut, die sich an nichts festmachen ließ, keinen Widerhall fand, auf nichts gründete … Und ich ärgerte mich über mich selbst. Über jeden Schmerz, der sich in meinem Körper bemerkbar machte, jede Frage, die mich quälte, jede Antwort, die sich mir verweigerte. Ärgerte mich, dass ich den Schicksalsschlag hinnehmen musste, ohne reagieren zu können, und damit nicht besser dran war als ein kläg­liches Opferlamm …
    Vier Tage und vier Nächte …! Wie habe ich das nur durchstehen können?
    Grelles Scheinwerferlicht leuchtet die Höhle aus. Ich wende mühsam den Hals, um zu sehen, was los ist. Zwei Pick-ups und ein knatternder Jeep sind im Hof vorgefahren. Bewaffnete Männer springen zu Boden und rufen laut durcheinander. Befehle ertönen hier und da. Eilig kommen unsere Wächter angerannt. Das Lagerfeuer wirft hektische Schatten auf den Sand. Wagentüren schlagen, dann erlöschen die Scheinwerfer, und die Motoren verstummen. An seiner Silhouette erkenne ich den Boss. Er hat ein Maschinengewehr umgehängt. Joma geht auf ihn zu. Ich schätze, er erkundigt sich, ob alles gut gelaufen sei. Der Boss deutet auf eine Masse, die auf einer Trage liegt, dann verschwindet er hinter seinen Männern in einem Zelt.
    Minuten später kommt man mich holen. Ich habe Mühe, mich aufzurichten, kein Knochen scheint mehr an seinem angestammten Platz, meine Knie sind total steif. Man führt mich geradewegs zu einem Kranken, der offensichtlich hohes Fieber hat. Ein langer Kerl mit aschfahlem Teint. Er liegt mit angezogenen Beinen auf der Trage, den Hals verdreht, die Hände zwischen den Oberschenkeln versteckt. Er hat Schüttelfrost und stöhnt, ohne auf den wassergetränkten Lappen zu achten, den ein Junge ihm auf die Stirn gelegt hat. Am Geruch, der von ihm ausgeht, merke ich, dass er sich eingenässt hat.
    Der Boss marschiert im Zelt auf und ab, die Hände in die Hüften gestemmt. Er wirkt sehr angespannt. Ein wenig abseits steht Joma mit einer Sturmlampe am ausgestreckten Arm und würdigt mich keines Blickes. Endlich geruht der Boss, mich zur Kenntnis zu nehmen. Er schlägt die Hände zusammen, wohl ein Zeichen seiner Ratlosigkeit, kommt auf mich zu und wundert sich, dass ich so schlecht aussehe. Erklärungssuchend wendet er sich an den Koloss. Dessen Miene bleibt undurchdringlich.
    Â»Bist du krank, Doktor?«
    Ich finde seine Frage albern, fast schon zynisch. Wenn ich auch nur noch

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