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Die Landkarte der Finsternis

Die Landkarte der Finsternis

Titel: Die Landkarte der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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wirft wie einen Zigarettenstummel, auch Geschichten erzählt, die so drollig sind, dass einem dabei ganz warm ums Herz wird.
    Â»Und für welchen Fußballspieler schwärmst du?«, frage ich schließlich.
    Wenig begeistert zuckt er die Achseln:
    Â»Messi vielleicht oder Ronaldo und noch so ein paar andere, aber Joma meint, ein Idol muss nicht unbedingt weiß sein. Also habe ich mich für Drogba, Eto’o und Zidane entschieden.«
    Â»Zidane ist doch weiß.«
    Â»Nur seine Hautfarbe. Im Herzen ist er Afrikaner.«
    Â»Spielst du auch Fußball?«
    Â»Ich habe zwei linke Füße.«
    Bekümmert mustert er seine Zehen, die über die vergammelten Sandalen hinausragen, und wackelt ein wenig mit ihnen. Ungeahnte Traurigkeit überzieht sein Gesicht:
    Â»Man hat mir noch nie groß was zugetraut«, seufzt er bekümmert.
    Â»Du wärst wohl besser zu Hause geblieben.«
    Â»Bei mir zu Hause gibt es nichts. Ich war wie ein alter Kahn in einem vergessenen Hafen. Ich bin langsam abgesoffen, während ich auf einen Käufer gewartet habe. Nur dass dort in der Gegend allen das Wasser bis zum Halse steht. Wir hatten noch nicht mal das Geld für den Strick, um uns aufzuhängen. Ich war es leid, immer weiter abzusaufen. Irgendwann habe ich mir dann gesagt, wenn ich schon untergehen muss, dann lieber gleich auf hoher See. Dann würde das wenigstens keiner mitbekommen. Also hab ich den Anker gelichtet und die Segel gesetzt.«
    Â»Nur dass du die falsche See angesteuert hast.«
    Â»Vielleicht gibt es gar keine See, und alles ist nur eine Luftspiegelung. Ich sehe da keinen Unterschied. Ob dort oder hier, das läuft aufs selbe hinaus.«
    Â»Tut es nicht.«
    Â»Für mich schon.«
    Â»Ich bin mir sicher, du bist im Grunde ein guter Kerl. Du ­gehörst nicht zu diesen Typen. Was die hier tun, ist schlimm, und denen ist das noch nicht einmal bewusst. Sie haben uns entführt. Das ist Menschenraub. Das wird vom Gesetz streng bestraft.«
    Â»Das Gesetz ist denen doch so was von egal. Die wissen gar nicht, was das ist. Die können nur töten und Beute machen und scheinen dabei auch noch Spaß zu haben.«
    Â»Du bist nicht mit dem einverstanden, was die anderen tun?«
    Â»Ich habe dazu keine Meinung. Außerdem fragt mich niemand.«
    Â»Warum hast du dich ihnen denn überhaupt angeschlossen?«
    Â»Wie es halt so kommt.«
    Â»Man hat immer die Wahl.«
    Â»Das stimmt nicht.«
    Â»Doch, sicher … Niemand zwingt dich, dich mit dieser Bande von … von Typen abzugeben, denen das Bewusstsein für das, was sie tun, völlig fehlt … Wie heißt du überhaupt?«
    Meine Frage wirft ihn aus der Bahn. Er denkt nach, legt die Stirn in Falten, knetet mit Daumen und Zeigefinger seine Nasenspitze, seine Nase, fällt mir da auf, ist gerade und schmal, dann hebt er das Kinn und entgegnet verbittert:
    Â»Was ist schon ein Name? Ein eingetragenes Warenzeichen, mehr nicht. Der meiner Familie hat noch nicht mal eine Bedeutung. Ich habe gelernt, ohne ihn durchzukommen. Und irgendwann habe ich ihn dann ganz vergessen … Hier nennt man mich nur ›Heyduda‹.«
    Er nimmt die Brille ab, wischt sich das Gesicht an seinem Hemd ab.
    Â»Das macht aus mir auch keine eigenständige Person … Aber ich bin geduldig. Eines Tages wird man mir schon noch einen Kampfnamen verleihen. Warum auch nicht? Ich bin ein Kämpfer und setze meine Haut aufs Spiel wie jeder hier … Alle haben sie einen Beinamen … Warum nicht ich?«
    Wieder fängt er an, an seinen Nägeln zu knabbern.
    Â»Das wär doch schick, so ein Beiname«, fügt er mit fiebrigem Atem hinzu. »Da wäre ich dann wer … Ein Beiname, der nach was klingt und den man nicht so schnell vergisst … Blackmoon zum Beispiel … Das würde mir gefallen, Blackmoon. Und es passt auch zu mir.«
    Â»Na schön. Also, Blackmoon, ich würde dir einiges zutrauen.«
    Â»Du kennst mich doch gar nicht.«
    Â»Man muss nicht lange mit Leuten zu tun haben, um sie einzuschätzen. Ich bin mir sicher, dass du ein ganz vernünftiger Kerl bist.«
    Â»Das stimmt, ich bin kein böser Mensch. Wenn ich etwas Schlimmes getan habe, dann nur, um mich zu verteidigen. Es ist nicht so, dass ich etwas bereue oder mich für irgendwas entschuldigen will. Es wäre mir auch lieber, die Sache wäre anders gelaufen, aber was geschehen ist, ist

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